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Tour

Ruppiges Tänzchen auf den Tanzboden (1.443 m)

Eigentlich hätte ich ja zuhause bleiben sollen. Eigentlich!
Seit Tagen teilte ich mein Bett mit unerfreulichen Gästen. Gliederschmerzen, Schlappheit, Kopfschmerzen und in Folge schlechte Laune. Wie Kletten haften sich diese ungebetenen Gäste an, sie lassen sich nicht so leicht vor die Tür befördern und sie vertragen sich grundsätzlich nicht mit meiner Ungeduld.


Aus Verzweiflung fallen einem plötzlich alte Hobbys ein. Malen! Ja klar, man könnte mal wieder malen. Minimalistische Bewegungsabläufe. Hand an Pinsel, Pinsel in Farbe, Farbe auf Leinwand. Geht auch mit Gliederschmerzen. Irgendwo im Keller kauert noch eine alte Staffelei. Staffelei mit letzen Reserven aus Keller gezerrt und los. Hand an Pinsel, Pinsel in Farbe, Farbe auf Leinwand. So lange, bis sie kippt, die Leinwand. Ich versuche zu retten, mein Mittelfinger gerät zwischen die Streben. Für einen kurzen Moment sehe ich die Sterne am Himmel funkeln und zeitgleich Blut unter dem Fingernagel hervorquellen. Leider passt das Blutrot nicht ins Bild. Schmerzverzerrt und ernüchtert stelle ich die Staffelei samt Bild ins Eck und lege ich mich wieder ins Bett.

Wenige Tage später – der Finger und der Rest von Hilde fühlte sich der Aussenwelt wieder gewachsen – ging ein kleines Schönwetterfenster auf. Die Sehnsucht nach Schnee und Berg und Draussen liess sich nicht mehr unterdrücken. Aufgrund der unklaren Wetter- und Lawinenlage wählte ich als Tourenziel den Tanzboden. Ein Tänzchen auf den Tanzboden geht fast immer.

Bei der Abfahrt regnete es wie aus Kübeln. Das förderte weder Motivation noch Freude. Auch nach dem Zustieg des Wanderfreunds änderte sich nichts daran. Untypisch freudlos fuhr ich so ins Toggenburg. Der Wanderfreund wunderte sich, blieb aber freundlich. Irgendwann hörte es auf zu regnen. Die Strasse hoch nach Nestenberg – unserem geplanten Startpunkt – war von Anfang an sehr rutschig. Die Entscheidung, zum Skilift Dicken zu fahren und von dort loszulaufen, erwies sich als gute Wahl. Die Fahrt nach oben ging mit etwas Singsang problemlos.
Zwischenzeitlich hatten sich die Wolken und meine miese Laune zugunsten strahlendem Sonnenschein und bedeckter Freude verzogen. Das Skihaus Pfungen lud bei frühlingshaften Bedingungen zum Kaffeeplausch, dann schlappten wir am Rand der Skipiste entlang, am Gubelspitz vorbei zum Tanzboden hinauf. Dank der festen Schneeunterlage war der Aufstieg zwar recht einfach, doch mein Fitnessdefizit liess sich nicht verheimlichen.

Die Strecke zum Tanzboden glänzt mit einer sehr aussichtsreichen und recht offenen Route hinauf zum Grat. Schon im Aufstieg gab es ein wunderbares Panorama. Oben angekommen dann ein Höhepunkt mit dem Blick ins Toggenburg und hinüber zum Alpstein und den Churfirsten, wobei die Speerkette von dort aus gesehen schon gewöhnungsbedürftig ist. Prompt habe ich mich mit der Gipfeldeutung vertan. Bei strahlenden Sonnenschein trotz der Zweideutigkeit ein herrliches Vergnügen. Lediglich die vielen Tüürler machten mir heute zu schaffen. Lautstarkes Geplapper, hinten und vorne, oben und unten. Nach einer Woche Bettruhe war ich dafür nicht empfänglich. Klar, es war Wochenende, es hatte viel tollen Schnee und viel Sonne. Da wollen alle raus. Wer heute die Bergstille suchte, war fehl am Platz.

Nach kurzer Einkehr in der Tanzbodenhütte brachen wir auf zum Abstieg. Das Schönwetterfenster machte zeitgleich die Schotten dicht, mit vernebelter Sicht und zwischendurch etwas orientierungslos stapften wir auf gleichem Weg wieder hinunter.

Zurück im Städtchen trieb uns ein Hüngerchen noch in die Stammkneipe, dank Bier und Dünnele folgte der mental ruppigen Tour noch ein befriedigender Abend.

Nichts mehr hinzuzufügen, es war super! Draussen ist schliesslich immer super.