Kategorien

Yosemite

111° Fahrenheit

Nach einem geschirrlosen Steh-Frühstück machten wir uns auf den Weg, raus aus dem Stadtdschungel. Drei Stunden und wir hatten es geschafft. Erst durch die Hügel nördlich von Hollywood, dem Verlauf der Interstate 5 folgend, dann auf dem Highway 99 Richtung Bakersfield, bis das Auto Durst und wir Hunger bekamen. An der Gas-Station gabs für uns zur Abwechslung mal einen Burger mit Coke XXL. Man konnte gar nicht so schnell trinken, wie man den Saft wieder herausschwitzte. Inzwischen hatte ich gelernt, dass 111° Fahrenheit 44° Celsius sind – die Vorstufe zur Hölle, wenn man gerade dem Kühlraum eines klimatisierten Wagens entsprungen ist. Aber wir machten es nicht wie die anderen, die ihr food quick and fast im kühlen Wagen verspeisten. Mutig setzten wir uns ein Bänkchen jenseits der Tanke und kauten schmorend am American Way Of Life. Wahnsinn.

Die Weiterfahrt brachte uns durchs eintönige Central Valley, vorbei an riesigen Rinderzuchtanstalten und bewässerten Obstplantagen, durch trockene Steppen-Landschaften, deren Indischgelb im Kontrast zum Azurblau des Himmels dem Auge schmeicheln.
Nach Fresno geht es auf die 41, langsam wird es hügelig. Die Strasse schlängelt sich durch die Ausläufer der Sierra Nevada Richtung Oakhurst. Grelles Sonnenlicht verschwindet hier hinter schattenspendendem Wald, eine Wohltat für die Augen. Etliche Serpentinen führen erst hinauf, dann wieder runter, durch einen Tunnel direkt in dieses Bild – den Tunnel View. Zauberhaft, wie die mächtige Nase des El Capitan mit der Kuppel des Half Dome im weichen Licht der Abendsonne kokettiert. Zeit für ein shooting.

Am Eingang zum Yosemite National Park kauften wir für 20$ ein Fünf-Tages-Permit und machten uns im Valley auf die Suche nach einem Camp Ground. Viele vor uns haben das offensichtlich auch schon getan, denn alle Campingplätze sind belegt. Blöd.
Die Strassenführung im Yosemite Valley ist erstmal ziemlich verwirrend, nach einigen Runden fanden wir endlich ein freies Cabin im „Housekeeping Tent“, einem ziemlich lustigen und lebhaften Camp in Curry Village. Die einfachen Unterkünfte – halb Zelt, halb Bungalow – sind spartanisch ausgestattet. Stockbetten und Matratzen, Steckdose, eine Lampe, drei Wände, ein Dach und als Eingang ein Vorhang – fertig.
Inzwischen war es stockdunkel, es herrschte Hochbetrieb an den Lagerfeuern. Jung und alt, Kind und Kegel, alles bruzzelte und plapperte munter durcheinander.
Als um 10 Uhr der Ranger mit der Taschenlampe kontrollierte, ob alle Lebensmittel brav und bärensicher in die dafür vorgesehenen Stahlschränke gesperrt sind, senkte sich Stille übers Dorf.
Dann, mitten in der Nacht, so zwischen 3 und 4 Uhr, ein Höllenlärm. Männer und Frauen schreien wild durcheinander, Topfdeckel wurden lautstark aneinandergeschlagen und Auto-Alarmanlagen kreischten durch die Dunkelheit. Wir spähten durch den Vorhang und sahen zwischen den Zelten Lichtschein von Taschenlampen. Sonst nichts. Nach 10 Minuten war der Spuk vorbei, der Bär wohl verjagt, und mit ihm unser restlicher Schlaf.

Motel 6

Wir hatten kaum ein ein Auge zugemacht, da war der Morgen danach wie eine Erlösung. Das Frühstück teilten wir mit zahlreichen, frechen Squirrels. Anschliessend gönnten wir uns eine ausgiebige Dusche und packten dann unser Geraffel ins Auto.
Wie schon bei der letzten Tour, fehlte mal wieder der Spiritus für den Trangia Kocher. Nachdem wir alle Shops im Valley abgeklappert hatten, wurden im letzten fündig. Im Ranger Office besortgen wir noch für 10$ Ausleihgebühr 2 Bear Cans – unkaputtbare Lebensmittel-Kanister, die von den Bären nicht geknackt werden können und einem vor bösen Überraschungen in der Wildnis bewahren – dann gings los. Das Auto bei Happy Isles abstellen, alle Lebensmittel und Kosmetika, welche wir nicht auf den Trail mitnehmen, in die Stahlschränke am Parkplatz stopfen (die Bären brechen sonst in den Wagen ein – wurde uns erzählt) und dann Rucksäcke packen. Das zog sich. Brauchen wir 2 Shirts oder reicht eines? 6 Mahlzeiten oder doch lieber noch eine Reservepackung? Die gefriergetrocknete Trekkingnahrung hatten wir aus Deutschland mitgebracht, sie ist optimal zur Gewichtsreduzierung und passte wie angegossen in die Bear Cans. Irgendwann war alles verschnürt und wir trabten mit der ungewohnt schweren Last Richtung Bus-Stop. Pünktlich um 17 Uhr fuhr YARTS Richtung Mammoth Lakes, an der Ostseite der Sierra Nevada entlang, über den Tioga Pass mit wunderschönem Blick auf den Abendhimmel, am Mono Lake vorbei. Während der Fahrt erhielten wir eine Gratislektion über den Way Of Life eines Busfahrers. Die Kinder, die Ehen, die Motorradtouren, die Besäufnisse und alle anderen Abenteuer erzählte der gesprächige Driver lauthals allen, die es hören oder nichthören wollten und machte damit die 3-stündige Tour zum kurzweiligen Erlebnis.
Allmählich leerte sich der Bus, es war schon dunkel als wir ankamen und wir hatten noch keinen Plan, wo wir in Mammoth Lakes unser Lager aufschlagen würden. Kein Problem, unser Fahrer wusst natürlich Bescheid.
Manchmal ist Amerika wie ein Dorf.

Das Motel 6 war gleich neben der Haltestelle, preisgünstig und komfortabel und wir genossen in der folgenden Nacht ausgiebig die Ruhe im weichen Bett.

weiter zum John Muir Trail >