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Abschied

Egon und die Brille

Fängst mal langsam an mit der Pedalenquälerei. Dachte ich mir so. Eine kleine 26 km Runde fürn Anfang.  Mal den Egon besuchen und schauen, ob’s den Bärchen gut geht da draussen. Mein jüngst erstandenes GPS-Gerät sollte für einen ersten Testlauf auch mit und ausserdem grosse Kamera inklusive Objektiv mit Blendenproblemen für ein paar zwielichtige Aufnahmen. Besser über- als unterbelichtet, sollte man meinen. Trifft bei Menschen meist zu, nicht so bei Bildern und Objektiven. Wenn da die Blende klemmt, sieht’s meistens nicht so gut aus. Wie neulich am Berg, wo dann auf den Fotos nicht nur der Schnee weiss war, sondern das ganze Bild. Bevor es in die Reparatur geht, sollte es nochmal in allen möglichen Einstellungen Testbilder machen.
Motivation genug, um an einem unaufgeregten, grauen, kalten Februarnachmittag über den Bodanrück zum Friedwald zu strampeln. Das bringt nebenbei den Kreislauf in Schwung und die Muskeln in brauchbare Form.
Als ich Egons Bärchen nass und traurig, Arm in Arm auf einem Haufen halbverwelkter Blumen kauern sah, überkam mich tiefe Traurigkeit und   Freude gleichzeitig. Manches kann man nicht begreifen und schon gar nicht erklären.
Ich schob meine Brille auf die Kapuze und machte ein paar Fotos. Kurz danach war sie weg, die Brille. 20 Minuten lief ich suchend um das Grab, ich war ja kaum 30 Meter gegangen, sie musste doch irgendwo liegen. Als es zu dämmern anfing, machte ich mich erfolglos aber mit der Sicherheit auf den Rückweg, dass Egon mir einen Streich spielte.
Zuhause schaute ich die Bilder etwas genauer an und entdeckte ich die Brille beim Vergrössern auf einem der Bilder direkt vor dem Bärengrab. Egon?!? Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie er mir spitzbübisch grinsend hinterherblickte…warte, morgen komme ich wieder und hol sie mir!