Lockdown interruptus
Mit dem Winter ist es dieses Jahr wie mit dem Virus. Beide haben sie eigentlich kein Bleiberecht mehr, aber beide wollen trotzdem nicht weichen. Vielleicht haben sie sich in einer heimlichen Konferenz abgesprochen „hey Dude, komm wir zeigens denen mal so richtig und legen nochmal eine Schippe drauf“.
Mich beglücken die vielen Zugaben des frostigen Gesellen, das Virus halt ich mir vom Leibe, so gut es geht.
Ursprünglich war ich für den Samstag als „Wanderleitung“ fürs Pfunger Ried gebucht, doch der Freund musste unerwartet einen Pendenzenberg abarbeiten und ich konnte wieder frei meinen eigenen Plänen nachgehen.
Eine richtig lange Tour sollte es werden, nicht zu weit weg. So fuhr ich nach einer äußerst lustigen Arbeitswoche mit dem Plan ins schöne Toggenburg, dem Chäserugg mal im Schnee aufs Pultdach zu steigen.
Als ich die Schweizer Grenze passieren wollte, standen doch tatsächlich ein paar Zöllner da! Sie fragten mich nach dem Grund meiner Einreise.
„Ich werde einen Freund besuchen.“
„Gut. Dann fahren sie mal zu meiner Kollegin, die macht eine statistische Erhebung.“
Na gut, wenn sie meinen.
Wo ich wohne, ob privat oder beruflich, was ich in der Schweiz vorhabe und ob ich heute wieder zurückkomme. Das wars.
„Ich gehe einen Freund besuchen. Im Toggenburg. Doch ohne Open End. Bis spätestens 18:30 Uhr bin ich zurück.“ Und durch. Fuhr hoch bis Schwendi, dort den Wagen parkiert, Schneeschuhe angeschnallt und los. Den schneebedeckten Freund sah ich schon von weitem, begrüßte ihn freudig. Doch was war da los? Leider erblickte ich auch viele emsige Skifahrer, die den Buckel hinunterkesselten.
Nach meiner Information war die Skisaison schon beendet… eine Anfrage bestätigte meine Befürchtung: die Skisaison wurde aufgrund der guten Schneelage um ein weiteres Wochenende verlängert!
Nun musste ich mich wohl oder übel mit den Skifahrern arrangieren und den begehrten, weißen Stoff mit ihnen teilen. Ein Aufstiegsweg, der im großen Bogen um die Skipiste herumführte, war schnell gefunden. Wunderbar still und einsam war es hier! Ich stapfte bis zum Stöfeli hinauf, dann war Schluss. Der Wanderweg führte nur noch über die schmale, gut frequentiert Skipiste. Ich peilte die Lage und versuchte neben der Piste erfolglos mein Glück. Es war dort einfach zu steil. Etwas frustriert teilte ich mein Vesper mit den Dohlen und jammerte ihnen die Ohren voll. Geduldig lauschten sie meinem Kummer, im Gegenzug durften sie von meinem selbstgebackenen Roggenbrot naschen.
Zwei Gemsen versuchten, einen gegenüberliegenden Steilhang hinunter zu springen. Da sie erst die optimale Abstiegsroute finden mussten, hatte ich genügend Zeit, sie zu beobachten und abzulichten.
Von Norden wölkte es sich ein. Erst wurde der Säntis und Schafberg verhüllt, kurze Zeit später auch der Chäserrugg und Hinterrugg. Es wurde gleich bitterkalt. Das tröstete mich, denn so fiel der Rückzug nicht allzu schwer. In einer großen Schlaufe über Zinggen stieg ich wieder hinunter nach Schwendi und drehte dort noch eine Runde um die Schwendiseen.
So wurden aus den geplanten 1.100 hm und 19 km nur 600 hm und schlappe 12 km. Kurz überlegte ich, ob ich noch zur Gamsalp hochsteige. Doch die Sicht war weg und die Luft war raus, da fuhr ich einfach nach Haus.