Mein Freund, das Chaos, war auch dabei.
Das Chaos ist verlässlich und unkaputtbar.
Alles fing wie immer ganz harmlos und gut gemeint an, dann heftete es sich leise und unbemerkt an meine Fersen.
Vorrausgehend zog sich ein miesewettertauglicher, gemütlicher Geburtstagsbrunch lindwurmartig durch den Tag bis in den frühen Abend.
Um 22:29 Uhr sollte dann unser Zug nach Basel zum Morgenstraich zuckeln. Fahrpläne steckten korrekt ausgedruckt in meinem Rucksack. 5 nach 10 fuhren wir los Richtung Stadt, ich stellte die Shrunk-Limousine vor meine Haus- und Hofwerkstatt in die Nähe des Bahnhofs mit der Absicht, dass mein Hofmechaniker bis zu unserer Rückkehr die Kiste unter sein fachmännisches Visier nimmt. Undefinierbare Klopfgeräusche bei Geschwindigkeitsverlust, stinkender Qualm aus beiden Vorderrädern und apruptes Zicken und Stehenbleiben am Berg bei der letzten Ausfahrt veranlassten mich zu dieser Massnahme. Ich warf also den Zündschlüssel mit ordnungsgemässem Handzettelauftrag in den Briefschlitz und wir trabten los zum Bahnhof.
Als wir am Bahnsteig eintrafen, fuhr gerade ein Zug ab. Ich schaute auf die Uhr – das böse Denken war schon im Anmarsch – wir hatten aber noch 10 Minuten. Das böse Denken verflüchtigte sich wieder. Die Fahrkarten, die gar nicht mal so billig waren, schon gelöst, schauten wir noch mal auf die Fahrplantafel. Hm, da stand was anderes als auf meinem Druck. Argh! Schweizer Bahnhof in Konstanz ist was anderes als Kreuzlinger Bahnhof in Kreuzlingen – fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren…du böser Denkfehler du!
Zug weg, Zündschlüssel weg – gekonnt…
Das Handy, mein ungeliebter Freund, zitierte den Mechaniker zeitplanmässig hinter den Briefschlitz zum Zündschlüssel und klopfend nahmen wir die Verfolgung der Eisenbahn auf. Zürich, 00:06 Uhr, das könnten wir schaffen. Rauf auf’s Gas, bei Frauenfeld runter wegen Blitzer, bis Zürich wieder rauf. 23:45 Zürich an, rein ins nächste Parkhaus, den heutigen verpassten Waldlauf als nächtlicher Züricher Strassenlauf nachgeholt, um 00:02 am Gleis 16, rein in den überfüllten Waggon und los Richtung Basel – röchel.
In Basel tobte das Leben. Alles was Beine hatte und noch mehr war unterwegs. Wir trollten uns auf einen Cafe Creme in eine der gut geräucherten Kneipen und zogen dann durch die von Trubel erfüllte, nächtliche Stadt. Zwischendurch machte immer wieder Petrus seine Schleusen auf, doch pünktlich um 4:00 Uhr schloss er sie wieder zeitgleich mit dem Verlöschen aller elektrischen Lichter der Innenstadt. Auf Kommando tauchten dann aus allen Himmelsrichtungen und Gassen pfeifend, trommelnd und gänsehauttauglich die Maskierten auf. Tausende von Menschen säumten die Strassen und verfolgten mit Blicken und Kameras das archaische Treiben.
Stunden später – der Wettergott war uns zum Glück wohl gesonnen und es blieb trocken – fuhren wir müde, durchgefroren aber glücklich wieder nach Zürich, und von dort erstaunlicherweise ohne glühende Bremsen und Klopfgeräusche zurück nach Konstanz, wo der Schlaf der Gerechten auf uns wartete.
Schee wars!