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Mehrtagestour Tour

Zernez – Chamanna Cluozza – Alp Buffalora – S-charl

Wildnis

3-tägige Wanderung durch den Schweizer Nationalpark im Unterengadin

von Zernez zur Chamanna Cluozza – 3,5h

Donnerstag, am  Vatertag, morgens um 9:17 Uhr rufe ich in der Chamanna Cluozza an. 2 Schlafplätze bräuchte ich, für die kommende Nacht. Das wäre kein Problem, meint Jürg Martig, Hüttenwart und Bergführer. Es gibt sogar noch ein 2er-Zimmer, welches ich dankbar trotz des hohen Preises buche (…die Hütte wird über Helikopter versorgt). Wir haben Glück,
denn in Graubünden ist kein Feiertag, die Wandersaison ist noch jung und die Hütte wurde erst vor 5 Tagen aus ihrem Winterschlaf erweckt. Der folgende Anruf im Berggasthaus Buffalora gestaltet sich ähnlich. „Moment, da muss ich erst mal mein Buch holen…“ Doppelzimmer mit Frühstück für die Nacht darauf ist auch kein Problem. Um 10 Uhr trudelt mein Bergfreund A. ein und los gehts ins wilde Unterengadin.

Seit Wochen scharre ich schon mit den Hufen, sehnlichst die schneefreie Wandersaison erwartend. Um Christi Himmelfahrt wollte ich die erste, mehrtägige Tour starten. Es zieht mich in den wilden Südosten, den Schweizer Nationalpark. Das Engadin ist meine Lieblingsecke in der Schweiz, der Nationalpark bisher von mir völlig unerforscht. DAS muss sich dringend ändern.

Also puzzele ich mir eine mögliche Hüttentour zusammen, was gar nicht so einfach ist, denn im Nationalpark gibt es nur eine Hütte, die Chamanna Cluozza. Also weite ich den Radius auf die angrenzenden Gebiete des Nationalparks aus. Die Route sollte wie folgt aussehen: von Zernez durch die Flanken der Cluozzaschlucht zur Chiamanna Cluozza, von dort über den Sattel Murter und wieder hinunter in die Spölschlucht. Weiter zur Ofenpassstrasse und dort zum Berghaus Buffalora.  Am nächsten Tag zur Ofenpasshöhe, dann zur Fuorcla Funt da S-charl nach S-charl.
Weiter zur Sesvennahütte, dann über den Pass Rims zur Chamanna Lischana und von dort nach Scuol.

Erst mal freue ich mich über den schönen Tourenverlauf und mache mich ans Rucksackpacken, als ich dann die Hütten buchen will, wird mir klar, dass ich definitiv zu früh im Jahr dran bin. Die Chamanna Lischana ist noch geschlossen, auf dem Übergang Pass Rims liegt noch zuviel Schnee. Nach intensiver Beratung und Telefonkonferenz mit Herrn A. , beschliessen wir, die Tour zu teilen und erstmal von Zernez nach S-charl zu laufen. Die 2. Hälfte vertagen wir auf August.

Eine gute Entscheidung. Alles klappt wie am Schnürchen. Um 14 Uhr, nachdem wir das Auto in Scuol am Bahnhof geparkt hatten, sitzen wir in der Rhätischen Bahn , mit der wir nach Zernez, dem Ausgangspunkt unserer Wanderung, fahren. Um 14:30 Uhr sind wir auf dem Weg, der uns steil oberhalb der wildromantischen Cluozza-Schlucht durch schönen Lärchenwald zur 1906 vollständig aus Holz erbauten  Chamanna Cluozza (1882m) bringt. Nach  dreieinhalb Stunden erreichen wir das herrlich auf einer Lichtung oberhalb des Ova da Cluozza gelegene, urige Blockhaus. Wir kommen pünktlich zum Abendessen, die Hütte ist nur mässig frequentiert, was ich gar nicht mal soo schlimm finde. In dieser Nacht schlafe wie ein Bär und träume von Biebern…

Von der Chamanna Cluozza zur Ofenpassstrasse (Berggasthaus Buffalora) – 8 h

Ein bescheidenes Frühstück und schon sind wir kurz nach 8 Uhr wieder auf dem Weg. Trotz des versprochenen, schönen Wetters zeigt sich der Himmel grau. Die Aussicht und die Photos leiden etwas unter diesem Zustand, zum Wandern jedoch ist das Wetter optimal. Erst mal geht es steil in vielen Kehren hinauf zum Murter-Sattel (2545m). Auf der Schulter rückt  der Piz Quattervals (3165m) ins Blickfeld, der höchste Berg des Nationalparks. Pünktlich bei Erreichen der Schulter öffnet sich die Wolkendecke für die Mittagsrast und wir geniessen die grossartige Aussicht auf die umliegenden Berge, ins Val Sassa und ins Val Spöl mit dem türkisfarbenen Spöl-Stausee.
Nach dem Vesper ziehen wir weiter auf gut sichtbarem Pfad, hinunter in die Spölschlucht. Nach der Lichtung Plan Praspöl überqueren wir eine spektakuläre Brücke und steigen von dort zur Ofenpassstrasse auf. Genau an der Tunneleinfahrt Richtung Livigno überqueren wir die Strasse und laufen von da an immer zwischen Passstrasse und Ova dal Fuorn auf sehr schönem Weg zum Berggasthaus Buffalora.

Der Weg zieht sich…noch einmal um die Kurve, dann kommt endlich unser Tagesziel ins Blickfeld, nach 8 Stunden , knapp 23km und 1200hm. Glücklich beziehen wir unser Zimmerchen und machen uns nach einer erfrischenden Ganzkörpersäuberung über die Speisekarte her. Der Magen knurrt, Rösti mit Spiegelei klingt verlockend, doch für die üblichen Riesenportionen ist der Hunger nicht gross genug.  Ich bitte den Chef um eine kleine Portion. „Da muss ich erst mal meine Frau fragen, die kanns nicht so mit kleinen Sachen.“
Das glaube ich dem stattlichen Mann sofort…nach kurzer Zeit bekomme ich dann aber eine kleine, köstliche Portion Rösti.

Vom Ofenpass nach S-charl – 5 h

Blauer Himmel und Sonnenschein wecken uns am Morgen.
Wir laufen erst zum Ofenpass, dort zweigt in nördlicher Richtung unser Weg ab Richtung Fuorcla Funt da S-charl (2303 m), einem breiten Pass mit einigen, kleinen Skiliften. Bei der Plan Mattun läd uns ein markanter, mit rostroten Flechten verzierter Felsblock zur Mittagsrast ein. Ein Rudel Mountainbiker kommt vorbei, sie würden uns gerne beim Verzehr helfen, doch ihr Guide drängt nach kurzer Lobeshymne auf das Postkartenidyll zur Weiterfahrt.
Wir lassen uns Zeit, können uns kaum sattsehen am herrlichen Bergpanorama, der vielfältigen, bunten Bergflora und dem weiten Blick ins Tal.
Nach der Rast wandern wir zur Alp Astras hinunter, wo wir auf den Weg von Lü über den Pass Costainas treffen. Bald erreichen wir das Naturreservat God da Tamangur, den höchstgelegenen Arvenwald (Zirbelkiefer) Europas. Mystisch, das Wandern zwischen totem Holz und uralten Bäumen. Nichts wird hier vom Mensch verändert. Hier kann sich die Natur frei entwickeln, Bäume werden keine mehr gefällt und abgestorbene liegen gelassen.
An der Alp Tamangur Dadora endet der Wald, wir steigen zum Bach Clemgia ab, wo uns der Hauptweg nach S-charl, einer mittelalterlichen Bergbausiedlung leitet.
Die Zeit, bis der Bus uns nach Scuol zurückbringt, verbringen wir bei einem erfrischenden Eiskaffee und als wir die vielfältigen Eindrücke der Tour Revue passieren lassen, sind wir uns sicher: wir kommen wieder!