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Mehrtagestour Tour

Kesch-Trek

4 Tage durch die Bündner Bergwelt

Ein Schönwetterfenster tut sich auf – genau für 4 Tage!

DA muss ich zuschlagen. Seit Wochen beobachte ich das Wettergeschehen und scharre mit den Hufen. Die geliebten, jährlichen Wandertage mit Bergfrau G. sind schon lange geplant, nun kann es endlich losgehen.
Ein Anruf genügt, das Fremdenverkehrsbüro Bergün erledigt die Buchung der Hütten. Sehr komfortabel.

Tag 1 – Von Dürrboden zur Grialetschhütte

Ich treffe mich mit Frau G. um 12 Uhr am bewährten Bahnhof in Au,  wo es kostenfreie Parkplätze gibt. Mit meinem Auto (Vignette) geht es weiter nach Filisur. Dort stellen wir den Wagen ab und fahren mit der Rhätischen Bahn weiter nach Davos Platz. Dann Umstieg in den Bus nach Davos Dorf und nach abermaligem Umstieg nach Dürrboden.
Nun gehts die ca. 4 km und 530 hm in 1,5 Stunden über die Fuorcla da Grialetsch zur Grialetschhütte. Wir sind noch vor dem Nachtessen da, es ist kühl draussen, aber in der kleinen, urigen Hütte herrscht wohlige Wärme. Nachdem wir den Tee der Tischnachbarn ausgetrunken hatten (wir beglichen den Schaden später in harter €-Währung), laufen wir noch auf den Hügel hinter der Hütte und lassen den Blick über den Piz Grialetsch, den kleinen Gletscher und die tiefer liegende Hütte mit benachbartem See schweifen. Anschliessend verziehen wir uns ins Lager. Ich schlafe sofort tief und fest.

Tag 2  –  Von der Grialetschhütte zur Keschhütte

Wie immer auf den Berghütten wache ich schon vor Sonnenaufgang auf. Katzenwäsche, dann gehts mit Kamera bewaffnet los auf den Hügel, um die Sonne zu begrüssen.  Noch liegt die Bergwelt im fahlen Dämmerlicht, dann färbt sich langsam der Himmel blassblau  und die umliegenden Gipfel und Gletscher rosa.  Ich knipse wie wild.
Schnell taucht die Sonne hinter dem mächtigen Piz Linard auf und taucht die Bergspitzen in ein goldenes Licht. Zauberhaft !
Nach dem Frühstück ziehen wir weiter, vom gut sichtbaren Halbmond begleitet – ein langer aber wunderschöner Tag erwartet uns. Steil und anstrengend geht es über den Scalettapass ins Val Funtauna, unterhalb der Keschhütte biegen wir nach rechts ab und machen noch einen Abstecher zu den schönen Lai da Ravais.
Nach ca. 1200 Höhenmetern und 18 km Weg erreichen wir endlich die Keschhütte. Wir geniessen den Nachmittag mit heisser Schokolade und atemberaubendem Blick auf den Piz Kesch und den Porchabella Gletscher.
Nach dem Abendessen verziehe ich mich mit der Kamera, um das Abendlicht einzufangen.

Tag 3 – Von der Grialetschhütte zur Chamanna Es-cha

Der Schlaf war nicht so gesegnet, wie in der Nacht davor. Noch im  Dunkel schäle ich mich aus dem Schlafsack und schleiche mich aus dem Schlafsaal. Der Magen knurrt schon und ich hoffe auf ein vorgezogenes Frühstück. erst gibt es noch einen gloriosen Sonnenaufgang. Bis die anderen aus den Betten fallen, bin ich schon fast fertig mit frühstücken.
Schnell den Rucksack optimiert und schon gehts weiter, erst mal gemütlich lange bergab, bis zur Alp digl Chants. Dort wollen wir Käse kaufen, die Sennerinnen sind aber noch nicht richtig wach, so lassen wir den Käse links liegen und wandern weiter durchs schöne Val Plazbi mit Blick auf den Piz Ela Richtung Fuorcla Pischa. Dort wird der Weg deutlich rauher, wir laufen über Schotter und Schneefelder bis zum sehr steilen Schlussaufschwung. Dort haben wir die Wahl: steiles Schneefeld oder steiler Schotterhang. Da der Schnee schon sehr weich ist, entscheiden wir uns für den Schotter. Ein Schritt vor, zwei zurück. Irgendwann sind wir oben, am höchsten Punkt dieser Tour, auf 2871 m.
Von dort könnten wir noch weiter auf den Piz Blaisun steigen, doch der Abstieg zur Es-cha Hütte lockt, so lassen wir den Schuttberg rechts liegen und laufen durch Steinmann-Brigaden, an Wasserfällen und buntem Gestein vorbei, begleitet von rauschenden Bergbächen zur Chamanna Es-cha. Ein kleiner, steiler Gegenanstieg am Schluss, und schon sitzen wir auf der aussichtsreichen Terrasse der Hütte und schlürfen Cappuccino. Bis zur Bernina reicht der Blick.
Die Hüttenwirtin bietet uns die Präsidenten-Suite als Nachtlager an, 2 Schlafplätze unterm spitzen Dachgiebel im 3.Stock des Lagers, erreichbar über eine fast senkrechte, über 3 Meter hohe Leiter. Wir lehnen dankbar ab und beziehen lieber einen ebenbödigen Schlafplatz.
Nach dem Abendessen die übliche Bettgehzeremonie, draussen regnet es inzwischen. Die Hüttenwirtin versichert uns, dass es am nächsten Morgen trocken bleibt.
Mitten in der Nacht ein lauter Schlag, aufgeregtes Aufwachen ringsum, der Ruf nach Verbandszeug. Ein Wanderkollege fiel die steile Leiter hinab, und schlug mit dem Kopf auf. Neben mir liegt zum Glück eine Notfall-Krankenschwester, welche den Verletzten Bergkameraden schnell und profesionell erstversorgt.  Es fliesst ordentlich Blut, dann tut es wieder einen Schlag – der Kumpel des Opfers kann kein Blut sehen und fällt in Ohnmacht.
Irgendwann sind beide soweit wieder hergestellt, der rechte Schlaf will sich danach nicht mehr einstellen.

Tag 4 – Von der Chamanna Es-cha zum Albulapass

Wie versprochen, ist es am nächsten Morgen trocken. Beim Verlassen der Hütte begrüsst uns statt der Morgensonne ein Regenbogen. Über die Fuorcla Gualdauna geht es immer bergab zur Albulapassstrasse. Wir haben Glück, es bleibt weiterhin trocken, ab und zu reisst sogar die Wolkendecke auf und die Sonne kommt durch. Der Weg neben der Strasse zieht sich. Am Albula Ospiz finde ich einen Briefkasten, wo ich noch meine Ansichtskarten einwerfen kann.
Am Lai da Palpuogna angekommen, zieht sich der Himmel immer mehr zu, vereinzelte Tropfen fallen herab. Wir beschliessen, nicht nach Bergün zu laufen, sondern schon in Preda in den Zug zu steigen. Das ist ein guter Plan, als wir in Preda am Bahnhof ankommen, fährt grade die passende Bahn ein und es fängt an zu regnen. Wir haben nicht mal Zeit, ein Ticket zu lösen und springen in den Zug. Der Schaffner klärt uns nach Ausstellen der Fahrkarten sehr freundlich darüber auf, dass er uns dieses mal die 10,-Fr Strafgebühr fürs nicht rechtzeitig gelöste Ticket erlässt. Auch gut.

In Filisur angekommen sind wir froh, endlich die Wanderstiefel ausziehen zu können . Während Bergfrau G. noch eine längere Strecke vor sich hat,  bin ich viel zu schnell wieder zuhause und zehre den Rest des Tages von den vielen, schönen Bildern und Erlebnissen.