Kategorien
Tour

Flüela Schwarzhorn (3.146 m) – G120 Gipfeltreffen

Es ist ja nicht immer so einfach.
Anruf. „Kommst Du mit auf den Naafkopf?“. Ja, unbedingt. Und nein. Nicht am Dienstag.
Den Naafkopf hatten wir bei unserer Liechtenstein-Tour letztes Jahr ausgelassen, zugunsten der nicht so aussichtsreichen, aber sehr einladenden Sonnenterrasse auf der Pfälzer Hütte. Er steht immer noch auf meiner Liste. Das Blöde nur, ich hatte an diesem Naafkopf-Tag einen Termin auf der Ausländerbehörde mit meinem afghanischen Schützling.
Dafür versprach mein Terminkalender hitzefrei am Donnerstag! Bis zu 34 gewitterlosen Grad waren vorhergesagt. Seit mir durch tragische Umstände mein Lieblings-unter-der-Woche-Bergfreund abhanden kam, muss Arthur einspringen. Arthur ist knuffig, aber kein vollwertiger Ersatz. Arthur hängt einfach still an meinem Rucksack. Aber Arthur jodelt, wenn man ihn drückt. Immerhin!

Die Region um den Flüealapass ist ideal für Hitzewanderungen. Man startet relativ hoch und kommt rasch nahe 3.000 Meter, wo es erträgliche Temperaturen gibt.
Schwarzhorn? Ganz früh? Mit Pass-Übernachtung? Jaa!
Meine letzten Touren waren Schindertouren mit vielen Höhenmetern und Kilometern. Aber jetzt war ich wild entschlossen, in den Genusstourenmodus umzuschalten.
Um 19 Uhr mein kleines Raumwunder auf Rädern gestartet und um 21:30 Uhr am Flüelapass im letzten Abendkitsch die Handbremse gezogen. Leider steckte die SD-Karte nicht in der Kamera, sondern noch in meinem Rechner zuhause, so daß ich kein bildliches Zeugnis davon ablegen kann. Nach dem Motto: „Hilde lernt auch mal dazu“ hab ich Schlaumeier zum Glück an verschiedenen Plätzen SD-Karten deponiert – meine ungehemmte Bergfotografierlust war also nicht in Gefahr. Nur der Kitsch, den hatte sich schon der Nachtkrabb geholt, als ich die Karten fand.

Sonnenaufgänge am Gipfel sind reizvoll. In der Stille des anbrechenden Tages in die Welt der rauschenden Wasser und stürzenden Steine, der Murmeltiere und Schneefelder aufzubrechen, geküsst von den ersten, zarten Sonnenstrahlen, ist nicht weniger reizvoll. Ich genoss den Aufstieg in vollen Zügen, die wenigen Schneefelder konnte man gut umgehen. Im Vergleich zu den vorigen Touren war das ein Spaziergang. Bald schon stand ich am Gipfelkreuz. Nicht als Erste. Ein junges Paar war schon eine halbe Stunde vor mir aufgebrochen und machte von mir bereitwillig ein paar Gipfelfotos.

Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was für eine grandiose Weitsicht! Was für ein Traumtag! Welch ein Geschenk! Was für ein grosses Glück, dieses fantastische Gipfel-Panorama geniessen zu können. Nach einiger Zeit leistete mir ein weiterer Gipfelstürmer Gesellschaft. Dann kam ein älteres Ehepaar herauf. Dann noch ein Solist. 2 Stunden sass ich oben, fotografierte, konnte mich nicht satt sehen. Zu fünft eruierten wir gemeinsam die Bergwelten um uns herum. Es war ein Frieden am G 120 Gipfel, den ich mir so für den G 20 in Hamburg auch gewünscht hätte.

Noch ein Eintrag ins Gipfelbuch, dann machte ich mich kurz vor Mittag an den Abstieg und überliess den Logenplatz nachfolgenden Bergfreunden. Angezogen vom intensiven Türkis der Seelein unterhalb der Schwarzhornfurgga suchte ich mir einen Weg dorthin. Ich ließ mich nieder, ließ mich treiben, entledigte mich der Kleider und wagte ein sehr kurzes Bad im eiskalten See. Einer der Gipfelkameraden, der inzwischen auch den Weg zum Seelein gefunden hatte, tat es mir gleich. Er fragte mich aber vorher höflich, ob es in Ordnung sei. Ja. Warum denn auch nicht?
Wie im Paradies. Es schmolz eine Menge Eis, bevor ich mich zum weiteren Abstieg aufraffen konnte.

Wieder am Parkplatz angekommen, traf ich dort einen älteren Mann mit Motorrad. Er hatte eine Panne und wartete auf den Pannendienst. Von Norddeutschland runtergefahren, mit 75 Jahren, zum geplanten Treffen mit Frau und Sohn in Zürich….Respekt! Benzingespräche…vor Jahren hatte mein geliebter VW-Bus einen Motorschaden auf der Rückfahrt einer Wanderwoche im Bergell. ich wünschte ihm eine kurze Wartezeit und viel Glück.

Mein Auto-Lager der letzten Nacht war fast weggeräumt, da stolperte ein bayrisches Männerquintett von Richtung Berg auf den Parkplatz. Die hatte ich im Abstieg schon getroffen. Sie fragten mich, ob ich noch an dem Bergsee gewesen sei. Sie wollten dort auch hin aber hatten wohl den Weg nicht gefunden. „Ah, dann waren Sie das. Oben ohne. Wir haben Sie vom Gipfel aus mit dem Fernglas beobachtet.“
Erstaunt fragte ich sie, ob es ihnen entgangen sei, dass ich komplett ohne war…hahaha.