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6. Fort Selkirk

Mitten in der Nacht kratzte ein Tier an den Balken direkt hinter unseren Köpfen – nachdem wir an diesem Abend der 83sten Bärengeschichte gelauscht hatten, wirkte das nicht gerade schlaffördernd und wir waren froh, einigermassen stabile Wände um uns zu haben.
Das Feuer im Ofen wärmte uns noch eine Weile, dann kroch die Yukonkälte durch die Ritzen der Blockhütte. Am frühen Morgen sank die Temperatur regelmässig auf ihren Tiefpunkt und es fiel uns nicht sonderlich schwer, den dürftig wärmenden Schlafsack zu verlassen, um als Erste den Duft von frischem Kaffee zu verbreiten.
Der Blick nach Draussen liess uns noch mehr frösteln – dicker Nebel verhüllte den Fluss und das Ufer. Da sich meistens die Sonne hinter dem Nebel versteckt, beschlossen wir, auf diese zu warten um dann den Tag in Fort Selkirk zu verbringen und den naheliegenden Berg, Eté cho, zu besteigen.
Eine geniale Idee, wie wir nach dem Frühstück feststellten. Der Nebel verzog sich kurz vor Mittag plötzlich und ein wunderbar warmer und sonniger Tag lag vor uns.
Schnell waren die Wanderstiefel geschnürt und wir trabten durch den dichter werdenden Wald immer am Fluss entlang.
Unmengen von Beeren, die hier wuchsen, und die typischen, mit Beerenkernen durchsetzten Häufen auf dem Weg liessen auf eine gesunde Bärenpopulation schliessen.
Um so mehr versetzte uns der Anblick eines versteckten Lagers in blankes Staunen. Bei der Suche nach einem gangbaren Pfad auf den Berg stolperten wir fast über einen Rucksack, in nächster Nähe lag ein Kanu, nebendran ein Biwak mit Schlafsack und eine offene Tonne mit Müsli und anderen schmackhaften Lebensmitteln, aber kein Mensch weit und breit.
Sonderbar, ist es doch im Bärenland oberstes Gebot, sämtliche Lebensmittel geruchsicher zu verpacken und möglichst hoch zu hängen. Wir konnten uns absolut nicht vorstellen, welches Greenhorn auf diese Wildnisregel pfeift und sich somit in Gefahr bringt und als sich auch nach mehrmaligem Rufen nichts regte, suchten wir ziemlich beunruhigt die Umgebung ab.
Da ertönte eine Stimme vom Berg: „Hoi, ich bin hier oben – es ist alles in Ordnung“…naja…
Oben angekommen, erfuhren wir, dass unser junger Freund aus Romanshorn in der Schweiz stammt, also nur ein paar Kilometer von meinem Wohnort weg. Er war alleine mit dem Kanu auf dem Yukon unterwegs und wollte bis nach Circle/Alaska paddeln. Die Fressalien in der Tonne waren beim letzten Regen wohl nass geworden und er wollte, während das Müsli in der Sonne trocknete, einen Blick von oben auf den mächtigen Yukon werfen.
Tja, klein ist die Welt…nachdem wir noch etliche Weisheiten ausgetauscht hatten, liefen wir zurück zum Lager, schlugen gerade rechtzeitig vor einem überraschenden Regenguss das Zelt auf und bruzzelten am Lagerfeuer unser Abendessen.
David und Jos, die beiden Motorbootfahrer aus Whitehorse waren auch noch da, ausserdem ein ‚Männerballett‘ im Zehnerpack, welches später am Abend das Cooking Shelter belagerte, um den Gedichten von Robert Service zu lauschen.
Da wir am nächsten Morgen weiterpaddeln wollten, verkrochen wir uns zeitig ins Zelt und liessen uns von Robert Service‘ Gedichten in den Schlaf geleiten.

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