Einer der schönsten Abschnitte des Yukon Rivers erwartete uns, als wir um 15:30 Uhr die bepackten Kajaks bestiegen, um Dawson City den Rücken zu kehren und die restlichen 160 km bis zur Alaskanischen Grenze in Angriff zu nehmen. Da es unweit des Nordpolarkreises Mitte August noch bis ca. 23 Uhr hell ist, hatten wir genügend Zeit, unser angepeiltes Ziel – das 60 km entfernte Cassiar Creek – bei Tageslicht zu erreichen. Im Gegensatz zum mäandernden, labyrinthartigen Flussverlauf vor Dawson, wird der Yukon hier immer schmaler, hohe Berge und schroffe Felsen säumen die Ufer.
Ein immer stärker werdender Sturm blies direkt von Norden kalt ins Gesicht, machte uns enorm zu schaffen und wir kamen nur sehr langsam voran. An manchen Stellen peitschten Fallwinde das Wasser auf und heftige Böen schüttelten die Boote, so dass wir trotz schneller Strömung seitlich abgetrieben wurden und ein Vorwärtskommen völlig unmöglich wurde. Um das Paddel nicht dem Spiel des Sturms preiszugeben, krallte ich mich wie verrückt daran fest und so kämpften wir uns mit aller Kraft Meter für Meter durch die unzähligen Flusswindungen. Nach 2 Stunden sichteten wir endlich eine Kiesbank und legten dort eine kurze Stärkungspause ein.
Der Sturm legte sich nicht wie erhofft, sorgte aber immerhin für einen wolkenlosen Himmel. Dies hatte jedoch zur Folge, dass wir uns durch die Westkehre des Yukons mit der tief stehenden Sonne in Augenhöhe befanden. Die Reflektionen auf der Wasseroberfläche taten ihr übriges, wir waren so geblendet, da half nicht mal mehr die Gletscherbrille.
Meine Schultern schmerzten bei jeder Bewegung und fingen an zu brennen wie Feuer; intuitiv ahnte ich, dass unsere bisher relativ leichte Tour eine abenteuerliche Wendung nehmen könnte.
Die Elemente hatten sich im wahrsten Sinne des Wortes gegen uns gewendet und es gab weit und breit keinen Ausstieg – wir mussten weiter.
Die trügerische Schönheit der Natur verwandelte sich immer mehr in eine Hölle und immer öfter stellte ich mir die Frage „warum machst Du das nur?“
Am Ende meiner Kräfte fing ich an, Sonne, Wind und Wellen zu verfluchen, die Muskulatur krampfte und als ich das Boot nicht mehr steuern konnte, nahm mich Bernd eine Weile ins Schlepptau.
Wir wussten, es konnte nicht mehr allzu weit sein, 5 oder 10 km noch, dann wären wir am Tagesziel. Wieder losgelöst von Bernd’s Leine – auch er war ziemlich entkräftet – suchten wir verzweifelt und fast blind die Anlegestelle von Cassiar Creek.
Die letzten Meter wurden zur Qual, mein Oberkörper fühlte sich an wie Beton und als wir endlich das befreiende Ziel erreicht hatten, konnte ich mich kaum noch bewegen. Ich schaffte es gerade noch aus dem Boot, da brach vor Erschöpfung mit einem Weinkrampf am Ufer zusammen.
Bernd schleppte mich in eine der Trapperhütten oberhalb des Steilufers, machte ein Feuer im Ofen und bedeckte mich mit allem, was uns an Wärmendem zur Verfügung stand. Zwei Stunden vergingen, bis das Zittern allmählich aufhörte und währenddessen räumte er die Boote aus, kochte Tee und eine stärkende Suppe.
Immer noch unfähig, mich zu rühren war ich unendlich glücklich, in der heimeligen, warmen Hütte so liebevoll umsorgt zu werden.
Diesen Tag werd ich so schnell nicht vergessen…
Nachdem wir die Blockhütte bärensicher verrammelt hatten, fiel es uns nicht besonders schwer, in einen tiefen traumlosen Schlaf zu fallen.
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