Die letzte Nacht auf Galena Creek brachte besseres Wetter, der Regen hielt endlich inne.
Alpträume, in denen ich mit dem Boot auf einen Felsen rauschte und anschliessend in den kalten Fluten versank, quälten mich des nachts und bescherten mir einen unruhigen Schlaf. Beim Frühstück beschäftigten wir uns dann vor allem mit Startstrategien – entweder geradeaus in die Strömung, was mich der bedrohlichen Felsnase vermutlich auf Tuchfühlung nahe bringen würde oder gegen die Strömung aus dem Kehrwasser heraus, was widerum die Gefahr des Kenterns barg. Wir entschieden uns kurzerhand für eine dritte Variante – quer zur Strömung. Der Bug wurde sofort eingenordet, ein bisschen gegengehalten, und schon nahmen wir in ungefährlichem Abstand zum Fels schnell Fahrt auf.
Etwa 1 km vor Dawson wird der Yukon in der Zielgeraden ziemlich schmal und legt noch mal an Tempo zu. Nachdem wir die ersten Häuser passiert hatten, steuerten wir das linke Ufer an, wo wir hinter dem Campground unser Lager aufschlugen. Um ca. 5 Uhr nachmittags krabbelten wir glücklich aus den Kajaks und die Aussicht auf eine heisse Dusche, ein kaltes Bier und warmes Essen liessen uns ruck zuck das Zelt aufbauen. Mit ein paar frischen, extra für den „Stadtgang“ reservierten Klamotten und Duschzeug bewaffnet, sassen wir schon bald auf der Fähre, die Tag und Nacht zwischen West- und Ostufer über den Yukon pendelt.
In den Waschräumen eines RV-Parks machten wir uns stadtfein und liessen uns vom leckeren Geruch in die nächste Kneipe locken – Fish and Chips, eine Riesenportion, und ein kühles Bier – das schmeckte wie Weihnachten im Doppelpack. Dawson City mit seinem Wild-West Charme hatte uns wieder, zog uns in seinen Bann und nach dem üppigen Mahl über staubige Holzbürgersteige in einen Musikschuppen.
Männer mit Bärten und Lederhosen standen an der Bar und tranken und erzählten Trappergeschichten, an einigen Tischen sassen langhaarige Indianer, alle schienen sich erst zu verstehen und dann zu besaufen und in der Mitte herrschte reges Stossen am Billardtisch. Die Uhr schien hier rückwärts zu gehen oder zumindest stillzustehen. Jedes weitere Bier liess uns jünger werden und – passend zur Musik – eintauchen in die Hippie-Zeit der frühen Siebziger. Getragen vom Sound der Doors traten wir dann zu fortgeschrittener Stunde den Rückzug an – Riders On The Storm, mit wedelndem Taschenlampenlicht, damit die Fährleute uns sehen und auf uns warten konnten.
Noch zwei ganze weitere Tage verbrachten wir in Dawson City. Nach sternklaren, frostigen Nächten wärmten wir uns beim Frühstück im River West Cafe auf, genossen in der aufgeheizten Nachmittagsluft den Bummel durch die kleinen Läden und klönten uns durch lange Kneipenabende, bis wir am dritten Tag des Rummels überdrüssig wurden und beschlossen, wieder in die Stille der Wildnis zurückzukehren.
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