August 2005
Die Tour fiel buchstäblich ins Wasser; nach 4 Tagen Wandern im Regen stand uns das Wasser nicht bis zum Hals doch stellenweise der Schlamm bis zu den Knien. Im Pitztal, vor dem Aufstieg zur Braunschweiger Hütte, kippte uns der Berg zur Krönung noch eine Mure vor die Füsse und wir traten schweren Herzens den Rückzug an.
Autorin / copyright by Sabine
Freitag 19.8.2005
von Oberstdorf nach Wenns
Freitag Mittag, Siemens Haupteingang
Hilde holt uns am Mittag mit Ihrem Bus ab, los geht’s Richtung Oberstdorf.
Am Ortseingang parken wir den Bus und bestellen ein Taxi für den langgezogenen Weg durch den Ort zum Anfang des Wanderwegs.
2 oder 3 Stunden steigen wir auf zur Kemptener Hütte.
Spaghetti zum Abendessen, naja, zu Hause schmecken sie deutlich besser. Aber es ist voll in der Hütte, somit eine Massenverpflegung.
Wir haben ein 4-Bett-Zimmer und verbringen die Nacht leidlich. Aber schon in der Nacht hören wir den Regen.
Samstag 20.8.2005
Von der Kemptener Hütte zur Memminger Hütte
Das Frühstück verläuft innen und aussen trüb, denn es regnet immer noch.
Was hilft’s, wir packen, hängen die Regenmäntelchen um und brechen auf.
Über das Mädelejoch, hinunter nach Holzgau, im strömenden Regen.
Die schönen Wasserfälle unterwegs können wir so gar nicht angemessen würdigen.
In Holzgau gibt’s erst mal einen ordentlichen Teller Gröschtl, wir trocknen ein bisschen und warten auf das Sammeltaxi, das uns ins nächste Tal bringt.
Es regnet immer noch, als wir den Aufstieg zur Memminger Hütte beginnen.
Auf den Wegen kommt uns das Wasser entgegen. Immerhin, nach der Hälfte des Aufstiegs hört es auf zu regnen.
Die Hütte ist gut gefüllt, wir bekommen ein Lager in einem kleineren Raum.
Überall stehen und hängen nasse Klamotten, Ausrüstungsgegenstände und Schuhe.
Den Rest des Tages verbringen wir in der Hütte. Tatsächlich möchte ein Bergkamerad meine UNGELESENE ZEIT zum Trocknen seiner Schuhe haben. Begründung „Frauen verstehen den Wirtschaftsteil doch eh nicht” oder so ähnlich. Da falte ich mir doch lieber eine Papiermütze draus, als sie diesem Affen zu überlassen.
Sonntag 21.8.2005
Von der Memminger Hütte nach Zams
Am Sonntag starten wir zur Seescharte. Im Regen.
Im Talkessel beobachten wir die Steinböcke, sie lassen uns ganz in ihre Nähe ohne abzuhauen.
Bald haben wir die Scharte geschafft, teilweise auf allen vieren, und nun geht es nur noch abwärts, abwärts, abwärts…
An der Lochalm trinken wir einen Tee, während wir uns an die Hauswand drücken, um wenigstens etwas vorm Regen geschützt zu sein. In einem extra aufgespannten Zelt sitzt eine der geführten Gruppen und pichelt.
Weiter abwärts. Ein reißendes Flüsschen über- bzw. durchqueren wir, das geht fast schief. Viel hätte nicht gefehlt, und Eine von uns hätte ein Bad genommen.
Weiter abwärts. Von der tiefsten Schlucht ist fast nix zu sehen im Nebel.
Hilde liest ab und zu aus dem Bergführer vor, was wir sehen könnten, wenn wir was sehen würden.
Der Abstieg nach Zams ist unendlich. Fast zwei Stunden lang sehen wir Zams unter uns, aber der Weg windet sich endlos, bis er endlich auf der Straße zum Ort endet.
Wir sind nass und fix-fertig.
Hilde will eine Sauna, Claudia ein Hotel, Sabine „nicht in einem Zimmer zur Straße übernachten”.
So schaffen wir es, eine Stunde durch Zams zu stolpern, auf der Suche nach einem entsprechenden Quartier. Als schließlich aufgeben, ist an der interaktiven Infowand auch das vorletzte grüne Lämpchen verglüht.
Beim allerletzten rufen wir an, und Frau Gigele erklärt sich sofort bereit, ein Arbeitszimmer aufzubetten. Wir schleichen zu ihrem Haus – und werden auf das Herzlichste empfangen. Hängen im warmen Keller unserer nassen Klamotten und Rucksäcke auf, lassen uns bedauern, trösten und verwöhnen. Im Bad steht sogar eine Flaschen „Holzhacker” für die geschundenen unteren Extremitäten bereit. Und tatsächlich, als ich später die Treppe runter wanke, tun die Beine schon viel weniger weh.
Herr Gigele holt uns aus der Pizzeria die bestellten Pizzen ab, so mampfen wir glücklich im Frühstückszimmer und bekommen noch ein Bier dazu. Anschließend fallen wir halbtot in die Betten. Soviel Fürsorge lässt uns das Wetterdesaster erstmal vergessen.
Montag, 22.8.2005
Von Zams nach Wenns
Am nächsten Morgen gibt Claudia auf: der Abstieg von 2000m hat ihre eh schon kranke Hüfte zu sehr strapaziert.
Hilde und Sabine wollen weiter, und so verabreden wir, daß wir uns im Schnalstal treffen werden.
Den ersten Aufstieg übernimmt heute die Venetbahn. Es regnet auch nicht mehr. Aber stop mal, er hat nur eine kleine Pause eingelegt, kurz nachdem wir gestartet sind, regnet es weiter.
Trotz allem tragen wir uns ins Gipfelbuch des Venet ein: „Claudia, wo bist Du?”. Beim Abstieg Richtung Wenns stehen wir manchmal bis über die Knöchel im Wasser. Wir laufen nicht mehr auf Wegen sondern im Morast oder im Bachbett.
Zwischendurch liest Hilde aus dem Wanderführer wieder vor, was wir gesehen hätten, wenn….
Auf der Galflunalp machen wir Rast in der kuschligen Hütte, die traumhafte Leberknödelsuppe bzw. Käseknödelsuppe bauen uns ein wenig auf.
Weiter Richtung Tal. Es regnet übrigens immer noch.
Eigentlich hatten wir vor, am Nachmittag den Bus nach Mittelberg zu erwischen, aber langsam sind wir auch inwendig nass.
So beschließen wir, Quartier im Landhaus Gasser zu nehmen.
Der Wetterbericht im Fernsehen zeigt nichts Gutes, auch die Nachrichten melden Überschwemmungen im ganzen Alpenraum.
Wir ziehen uns erst mal in die „Rutsche” zurück, ein urgemütliches Pub mit einer Rutsche von der Galerie ins Parterre, mit einem witzigen Wirt und super guter Musik.
Da sitzen wir dann den ganzen Abend im winzigen Erker und schauen zu, wie die Wasser die Strassen hinablaufen.
Dienstag 23.8.2005
Von Wenns nach Konstanz
Am Dienstag morgen regnet es weiterhin. Auch in der Nacht haben wir eine Weile dem Regen zugeschaut, wie er auf der Straße einen Bach gebildet hat.
Hildes Knie war schon am Vortag bedenklich geschwollen, aber sie will trotzdem weiter.
Also packen und zum Bus trödeln.
Als der dann endlich kommt, teilt der Fahrer uns nur kurz angebunden mit, daß die Straße nach Mittelberg wegen Murenabgängen gesperrt ist. Keine Prognose, wann die Straße wieder offen sein wird.
Nun wird es uns doch zu viel. Wir hängen eine Weile ratlos herum, aber langsam geht es uns auf, daß es sich doch um eine kritische Situation handelt. Der Weg ist uns also versperrt.
Wir grübeln weiter, beraten uns mit Claudia und beschließen dann enttäuscht den Abbruch.
Mit dem Bus geht es nun in die andere Richtung raus aus dem Tal. Als wir in Imst ankommen und wir den reißenden, Hochwasser führenden Inn sehen, wird uns erst richtig klar, was los ist.
Während wir mit dem Zug nach Innsbruck fahren, sehen wir die Überschwemmungen und immer den bedrohlich brodelnden Inn.
Keiner weiß mehr so recht ob, wann und wohin die Züge fahren. Die Straßen und Bahnen Richtung Landeck sind jedenfalls wegen Hochwasser und Überschwemmungen gesperrt.
Also schlagen wir uns nach München durch.
Dort erfahren wir auf dem Bahnhof, daß es Richtung Oberstdorf keinen Zugverkehr mehr gibt.
Nach einer Bahnhofsodyssee um eine Fahrkarte erwischen wir in letzter Minute den Zug Richtung Lindau.
Ganz plötzlich fällt uns dann noch ein, daß der Parkplatz, auf dem der Bus steht, direkt neben einem am Freitag sehr kleinen Bach liegt. Und so haben wir eine neue Sorge: Was ist mit dem Bus? Verschiedene Telefonate mit Oberstdorfer Bergschulen bringen keine richtige Klarheit.
Also rufen wir Peter in der Arbeit an, und bitten ihn, uns von Lindau abzuholen.
Unterwegs, im Zug, versuchen wir immer wieder rauszukriegen, ob nicht doch noch ein Zug nach Oberstdorf fährt. Ergebnislos.
In Lindau hocken wir dann im SONNENSCHEIN im Hafen und warten auf Peter, der direkt aus der Firma kommt, um die kläglichen Abenteuerinnen abzuholen.
Ein Anruf bei der Polizei bringt jetzt zumindest mal die Nachricht, dass die Straße nach Oberstdorf wieder offen ist.
Wir fahren sofort los, den Bus zu retten.
Und welche Erleichterung, als wir auf den Parkplatz einbiegen und der Bus unversehrt steht, wo wir ihn abgestellt hatten. An den Rädern kann man zwar erkennen, daß das Wasser etwa bis zu halben Radhöhe stand, aber sonst fehlt ihm nichts.
Die Rückfahrt wird recht anstrengend im Dunkeln. Den Pfändertunnel müssen wir wegen Orientierungsschwächen der Damen noch mal in der Gegenrichtung durchqueren, ohne Pickerl natürlich, das hatte noch gefehlt!
Aber irgendwann vor Mitternacht sind wir dann zurück in Konstanz, total frustriert.
Claudia simst aus dem Schnalstal, auch sie muss über Bozen-München zurück fahren.
In den nächsten Tagen wird uns dann das Ausmaß der Katastrophe erst richtig klar.
Wir müssen einsehen, daß es die richtige Entscheidung war, abzubrechen. Auch wenn es ein paar Tage später vielleicht irgendwie doch weitergegangen wäre.
Ende der Alpenüberquerung I.
Natürlich versprechen wir uns, es im nächsten Jahr noch einmal zu versuchen.