Seit langem wieder mal ein Tag fürs Geschichtsbuch!
Die besinnliche Zeit vor Weihnachten hat ausser Plätzchen, Glühwein und Konsumrausch zum Glück auch noch andere Genüsse zu bieten und manchmal gibt es überraschende Geschenke schon vor dem eigentlichen Fest.
Wenn morgens Eisblumen in die Fenster wachsen, frostige Kälte, Eis und Schnee die Welt in einen anderen Aggregatzustand versetzen. Was gibt es Schöneres? Meine Winterliebe ist kaum zu bremsen, die Nachricht von Neuschnee in den Bergen heizte ihr nochmal ordentlich ein.
Die Schneeschuhe fristen seit langem ein klägliches Kellerdasein und wollten endlich befreit werden. Vielfältige, mögliche Ziele für eine Schneeschuhtour machen die Entscheidung meist nicht einfach. Da kam mir ein Bild eines Freundes der Sozialen Medien zu Hilfe. Ein Solitärbaum, inmitten einer unverspurten Schneelandschaft, getaucht in goldenes Sonnenlicht. Peng! Ich war verliebt. In diesen Baum. Ja, das geht. Und nein, ich bin nicht verrückt. Oder doch, ein bisschen. Es ist, wie so oft, eine Sache des Blickwinkels. Je größer Dachschaden, desto besser der Blick auf die Sterne.
Schnell fand ich heraus, wo dieser Baum steht und stellte fest, dass ich ihm wohl schon öfters früher begegnet bin, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, auf dem Weg zum Pfingstboden.
Das Ziel stand also fest, doch den Tag verschob ich aus wettertechnischen und anderen Gründen von Donnerstag auf Samstag. Ausserdem kündeten die Buschtrommeln von einem vielversprechenden Live Gig mit Schwester Gaby in der Seekuh am Samstagabend. Die erfreuliche Kombination von Bergen und Blues hat Seltenheitswert und übt auf mich immer einen besonderen Reiz aus.
Nutze den Tag!
Überraschend klinkte sich am Samstagmorgen zwischen Rucksackpacken und Abfahrt noch ein geschätzter Bergfreund in die Vorfreude ein und spontan entschied ich mich für die Kleinstgruppe.
Nach einer ziemlich vernebelten Fahrt Richtung Alpstein schwand kurzfristig die Hoffnung auf einen Sonnentag. Doch mit zunehmender Höhe fuhren wir aus dem Dunst hinaus und kurz vor unserem Startpunkt Schwägalp direkt in eine strahlende Wintermärchenlandschaft hinein.
Klirrende Kälte empfing uns, die ersten paar Meter in der Sonne brachten das Blut jedoch schnell in Wallung. Wir liessen uns von der majestätischen Bergkulisse verzaubern, atmeten den Duft unverbrauchten Schnees und tauchten für ein paar Stunden ein in die Schönheit der Welt.
Manchmal muss man genauer hinschauen und den Blick ruhen lassen. Manchmal sind die grossartigsten Kunstwerke unscheinbar und leicht zu übersehen. Hier und da aus der Schneedecke herausragende, braune Halme. Mit Schneekristallen herausgeputzt, verwandelt in winzige Eisprinzessinnen. Von der Sonne geküsst feierten sie fulminant die Vereinigung und Vergänglichkeit.
Ein ganz kurzer Moment nur…mein Blick, das Licht und die Schneekristalle. Wir wurden für die Dauer eines Wimpernschlags eins.
Man möchte schreien vor Glück und niederknien vor dem Zauber und der Schönheit des Augenblicks. Was ich dann auch tat.
Mein Baum grüsste uns schon von Weitem und wurde mit zahlreichen, bewundernden Blicken bedacht. Zum Dank präsentierte er sich dann beim Abstieg stolz im goldenen Abendlicht. Glücklich staunend konnte ich mich kaum von dem Anblick lösen.
Langsam versank die Sonne hinter den Hügeln, zurück bei der Schwägalp streckte schon die Nacht ihre kalten Finger nach uns aus. Im Auto zeigte das Thermometer -12°. Grund genug, uns vor der Heimfahrt noch mit einem Kaffee aufzuwärmen.
Müde zurück im Städtchen war ich hin- und hergerissen. Bett nach Dusche oder Musik nach Dusche? Glück kann man manchmal nicht still ertragen. Manchmal will es laut und stürmisch gefeiert werden. Die Schwester lockte – es gab kein Entrinnen. Ich entschied ich mich für Musik nach Dusche.
Keine Glöckchen klingelten, kein leiser Schnee rieselte und es wurde keine stille Nacht. Dafür gabs ordentlich was auf die Ohren: erdige und himmlische Rockmusik vom Feinsten.
Schwester Gaby heizte der altehrwürdigen Stehkuh ordentlich ein und wir transpirierten mit einer grossen, gutgelaunten Fangemeinde genüsslich hüpfend vor uns hin.
Es gibt Tage im Leben, die schmuggeln sich wie kostbare Perlen zwischen die eintönigen Strasssteine der Alltags-Kette. Gestern war wieder so ein Glückstag.
It‘s just a perfect day
I’m glad I spent it with you
Oh, such a perfect day