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Marsyangdi Valley

16.4.2017 – 20.4. 2017 von Besi Sahar nach Koto

Warten. Warten hat hier eine andere Qualität. Nicht ungeduldig, nicht gestresst wartet man hier. Nicht wie in Sauberland, alle 2 Minuten hektisch auf die Uhr schauend. Warten wird zum Lebensgefühl. Irgendwann kommt das Erwartete und dann geht es weiter. Man ärgert sich nicht, wenn es lange dauert. Ke garne, was solls. Ein Plausch mit dem Hädler von nebenan, ein paar Spässe mit den Hotelboys, zwischendrin Schnäppchenjagd im Souvenirladen, fotografieren und Menschen beobachten, all das macht die Wartezeit wertvoll und das Leben hier entspannt und liebenswert.
Und manchmal kommt dann unverhofft eine Daniela um die Ecke. Während ich fertig bepackt vor dem Karma aufs Taxi wartete, welches uns zum Busbahnhof bringen sollte, lief Daniela an mir vorbei. Ich kenne sie seit Jahren, nicht persönlich – aus dem Internet, aus Foren, in denen wir uns immer wieder mal austauschten.
Was für eine Freude! Ein paar Worte, wo kommst her, wo gehts hin, und dann kam das Taxi.

Lange und holprig dann die Fahrt nach Besi Sahar mit dem Micro-Bus. Nachts um 21 Uhr endlich im Hotel.
Ich bin nicht besonders anspruchsvoll, was die Absteigen betrifft. Aber dieses war schmutzig schmutzig. Selbst wenn die Hahnen Wasser ausgespien hätten, den Waschbecken wollte ich mich nicht mehr als auf einen Meter Abstand nähern. Beim Versuch, die Vorhänge zuzuziehen, kam mir gleich das ganze handwerkliche Unvermögen entgegen. Ke garne. Was solls. Augen zu und durch.
Bevor ich die Augen schloss um mich mit den Geräuschen der Krabbeltiere im Zimmer anzufreunden, lernte ich noch beim Abendessen meinen Porter kennen. Ein Lichtblick! Nicht das Abendessen, das ging nach einem Bissen zurück. Aber Kancha. Ich mochte ihn sofort, klein und drahtig aber mit grossem, gewinnenden Lachen.
Der Tag war gerettet,

Am nächsten Morgen waren wir froh, aus Besi Sahar rauszukommen. Nachdem mir Kancha lachend seine Zähne zeigte, schmeckte sogar das Frühstück.Es war schon drückend heiss und wir freuten uns auf die schattigen Abschnitte auf dem Weg nach Syange durchs Marsyngdi Valley.
Der Weg ist hier aber nicht das Ziel. Bereits zum dritten mal laufe ich diesen Wegabschnitt, ich fotografierte wenig und wir kamen zügig voran. In Bhulbule machten wir mit lustigen Australiern ausgiebig Dal Bhat-Pause und nach einem langen Wandertag und 20 km erreichten wir Syange.
Die Everest-Lodge entpuppte sich als kleine, feine Herberge mit sehr freundlichen Betreibern. Ganz das Gegenteil des Annapurna-Hotels in Besi. Mutter und Tochter aus der Schweiz leisteten uns angenehme Gesellschaft beim Dinner und das erste mal seit meiner Ankunft in Nepal konnte ich eine ganze Nacht durchschlafen. Kein Baustellenlärm, kein Motorengeräusch oder lautstark diskutierende Betrunkene störten die Nachtruhe. Einzig der Marsyangdi-River rauschte durch meine Träume. Traumhaft!

Auf der gegenüberliegenden Seite der Jeep-Piste führte uns der Weg weiter durch die Marsyangdi-Schlucht nach Tal. Dort weitet sich das Flusstal aus. Kurz vor Tal entdeckten wir einen Bartgeier oberhalb des Weges im Gebüsch. Er schien verletzt, hatte Probleme mit dem Wegfliegen. Nach kurzer Zeit startete er durch und flog an die andere Flussseite. Nun bemerkten wir einen Jungen mit Hund, der wohl hinter dem Greifvogel her war. Beide verfolgten sie dem Geier und jagten ihn. Es kam noch ein junger Mann dazu und leider mussten wir dann mitansehen, wie sie den grossen Vogel einfingen und fesselten. Ich dachte erst, sie hätten ihn gleich getötet, aber später erzählte uns eine Frau, er wäre noch am Leben und sie würden mit ihm spielen…das machte mich ziemlich traurig.
Nachdem wir eine Lodge gefunden hatten, besuchten wir den naheliegenden, schönen Wasserfall.

Die nächste Etappe führte uns nach Timang, mein Schicksalsdorf vom Jahr 2014. Damals fand meine Kamera dort einen neuen Besitzer, was mich in eine tiefe Sinnkrise stürzte.
Dieses Trauma wollte ich nun beim diesmaligen Aufenthalt in Timang verarbeiten.
Der Weg schmiegte sich erst mal schmal am Berg entlang, wechselte dann auf die andere Flussseite und verlief überwiegend auf der imposant aus dem Fels rausgeschlagenen Strasse.
Der steile Aufstieg nach Timang war mir noch gut in Erinnerung und mir graute etwas davor. Doch kurz vor dem Steilaufschwung entdeckte ich einen anderen Abzweig und überredete die Jungs, diesen Weg einzuschlagen, welcher uns in einen wunderschönen alten, knorrigen Märchenwald entführte.
Tiljung war dies nicht ganz geheuer und er zweifelte immer wieder daran, ob wir auch in Timang ankommen würden. Doch wir waren schon zu weit gegangen, um über eine Umkehr nachzudenken. Dann entdeckten wir endlich einen Wegweiser nach Timang! Inzwischen hatte es angefangen zu regnen und tropfnass kamen wir endlich in dem schönen Dorf an.
Es hatte aufgehört zu regnen, ich spazierte noch ein Weilchen durchs Dorf und wurde Zeugin einer mystischen Vernebelung der Berge.

Von Timang nach Koto, wo der Trail ins Nar Phu Valley abzweigt, war es am nächsten Tag nur ein Katzensprung.
Nachdem wir uns in der Lodge einquartiert und unser Dal Bhat gegessen hatten,fiel eine grosse Gruppe Italiener ein. Lautstark verteilten sie sich überall, wo noch ein freies Plätzchen war. Mir war das etwas zu wuselig, ich schnappte meine Kamera und lief ein paar Kilometer ins Nar Phu Valley rein. Was ich da zu sehen bekam, begeisterte mich restlos. Ich konnte den morgigen Tag kaum erwarten.
nach meiner Rückkehr kauften wir noch etwas Proviant ein. Dann erhielt ich eine Nachricht von Daniela über facebook, wir sollten unbedingt noch in Koto bleiben und das Wetter abwarten. Für den ganzen Himalay wären schwere Unwetter und Schneestürme zu erwarten.
Da vor 3 Jahren nach einem Schneesturm 6 Menschen im Nar Phu Valley von Lawinen verschüttet wurden, beunruhigte mich diese Nachricht sehr. Ich erzählte es Tiljung und mit ein paar Dorfbewohnern versuchten wir die Lage zu eruieren. Sie versuchten mich zu beruhigen – es schien mir, als würden sie mich nicht ernst nehmen. Richtig beruhigend fand ich diese Einstellung nicht, aber es blieb mir nichts anderes übrig, als den nächsten Morgen abzuwarten, um dann eine Entscheidung zu treffen.
In der folgenden Nacht war mein Schlaf nicht besonders tief, ein zweites mal auf diese Tour verzichten wollte ich partout nicht.