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Aama ko Ghar

Eine Freundin hatte an ihrem runden Geburtstag statt Geschenke um Spenden für Nepal gebeten. Sie gab mir ein Bündel Bargeld mit, welches in Nepal einem Trinkwasserprojekt zugute kommen sollte. Es gibt in dem Dorf, wo ich letztes Jahr Aufbauhilfe nach dem Erdbeben geleistet habe, keinen direkten Zugang zu Trinkwasser, der Bau einer Wasserförderanlage ist deshalb in Planung.
Wir wollten für das Geld Solarpumpen oder einen Frischwassertank kaufen.
Als ich in Kathmandu meinen Projektpartner traf, um weitere Vorgehensweisen zu besprechen, musste ich feststellen, dass es das Trinkwasserprojekt bisher nur als Skizze aufs Papier geschafft hatte. Zu wenig Substanz, um die Spendengelder darin zu versenken.
Zeitgleich las ich bei Walther Lücker, der kurz zuvor selbst in Nepal war, ein sehr berührendes Posting über eine Nepalesin, die alte, obdachlosen Frauen von der Strasse sammelt und ihnen ein Heim gibt.
Eine Nepalesin für Nepalesinnen! Das machte mich neugierig und nachdem ich Walther Lücker kontaktiert und mich gründlich über ihr „Aama Ko Ghar“ (Mütteraltersheim) informiert hatte, kam ich mit meiner Freundin überein, die Spendengelder dorthin zu bringen.

Nepal ist in vielen Lebensbereichen eine Männerwelt, Frauen werden diskriminiert, auch wenn man dies als Tourist/in auf den ersten Blick nicht unbedingt wahrnimmt.
Inzwischen war ich einige Male als Frau alleine in Nepal unterwegs und habe viel erlebt, recherchiert und manch aufschlussreiches Gespräch geführt. Darüber, dass es für die meisten nepalesischen Frauen nicht möglich ist, alleine herumzureisen, während das für mich und die nepalesischen Männer ganz selbstverständlich ist. Über die Situation von Witwen, welche für den Tod des Mannes verantwortlich gemacht, stigmatisiert und von der Familie verstossen werden. Über menstruierende Frauen, die während der Blutung weggesperrt werden. Über Frauen, die von ihren Männern verlassen wurden, weil sie ihnen keinen Sohn gebären konnten. So wie Dil Shova Shresta, die Gründerin von Aama Ko Ghar.
Als Witwe oder alleinstehende, verstossene Frau hat man in Nepal schlechte Karten. Wenn die Kinder dann noch im Ausland arbeiten, bleibt diesen Frauen oft keine andere Wahl, als mit den Hunden die Strasse zu teilen.

Dil Shova Shresta stammt aus einer wohlhabenden Familie. Als ihr Mann sie verliess, weil sie zusammen „nur“ eine Tochter und keinen Sohn hatten, erkannte sie die aussichtslose Situation vieler älterer Frauen in Nepal. Sie fing an, alte Frauen von der Strasse aufzusammeln und ihnen Obdach in ihrem Haus in Kathmandu im Stadtteil Kalimati zu gewähren.
Inzwischen leben ca. 80 alte, kranke, blinde, gehörlose oder demente Frauen dort.

Ich rief also bei Dil Shova an und fragte, ob ich sie besuchen dürfe. Sie sagte nur: „No english no english“. So bat ich meinen nepalesischen Freund und Guide, den Kontakt zu Dil Shova herzustellen. Wir fuhren dann gemeinsam nach Kalimati und nach einigem Durchfragen fanden wir schliesslich das „Aama Ko Ghar“ und Dil Shova Shresta. Sie führte uns durch das Haus, die Frauen begrüssten uns freudig. Dil Shova erlaubte uns ausdrücklich das Fotografieren und auch die alten Damen posierten gerne für ein Bild.
Voller Stolz zeigte sie uns ein nepalesisches Schulbuch für Sozialkunde, in dem sie als Beispiel für praktizierte Nächstenliebe aufgeführt wird.

Die Küche und der Speisesaal unter dem Dach waren schlecht abgedichtet und sehr zugig – für die alten Frauen ein zusätzliches Krankheitsrisiko. Dil Shova sicherte mir zu, mit dem überreichten Geld die nötigen Reparaturen vornehmen zu lassen.

Eine zutiefst eindrucksvolle, berührende und mutmachende Begegnung, die ich so schnell nicht vergessen werde!