Ein Déjà-vu
Wir spazieren gemeinsam über die Blumenwiese und pflücken.
Mathildchen pflückt nur gelbe Butterblumen und lila Klee. Eine schöne Farbkombination. Zu meiner grossen Freude verfügt sie über ein ausgeprägtes Farbgefühl.
Am Wiesenrand finden wir hübsche, weisse Vogelmieren. Die passen in meinen bunt gemischten Strauss. Zwischen den Vogelmieren wachsen Brennnesseln.
Obwohl ich jetzt schon weiss, dass ich das Mädchen nicht vor der unerfreulichen Bekanntschaft mit dem Kraut bewahren kann, erkläre ich ihr geduldig die brennenden Eigenschaften der Blätter und erzähle ihr eine Geschichte aus meiner Kindheit
Es war im Sommer und ich hatte nur ein luftiges Kleidchen an. Sprang hin und her und purzelte schliesslich in einen Graben neben der Straße – direkt in den Schlund der Hölle. Der Graben war überwuchert mit Brennnesseln und ich fürchtete, darin zu verbrennen.
„Komm Omi, wir wandern jetzt ganz weit über die Wiese! Ich hab gehört, du bist ganz gut im Wandern.“
Ich muss grinsen.
„Komm Omi, wir machen eine Abkürzung dort runter.“
Der Hang führt steil zum Weg hinab und ist ueberwuchert mit Brennnesseln.
Als das Kind losrennt, weiss ich genau, was gleich folgt, aber ich halte es nicht davon ab.
Das Kind fällt, das Kind schreit, die Oma tröstet, das Kind steht wieder auf.
Wieder eine Lektion gelernt. So ist das im Leben.