Pünktlich um 19:24 Uhr fuhr er auf Gleis 1 ab Richtung Singen. Ich durchschritt alle Zugabteile. Von vorne nach hinten. Blickte in abgekämpfte Feierabendgesichter, der Freund war aber nicht dabei. Er war auch nicht unter den Gestylten, die gutgelaunt ihre wohlriechenden Hoffnungen auf ein kleines Displays hämmerten.
Da fiel es mir ein. Auch ich hatte so ein Display in der Handtasche. Einmal angeworfen, zeigte es mir unmissverständlich die ganze Wahrheit.
ICH WAR ZU Früh! Einige meiner Kulturkreisler kommen hin und wieder zu früh, aber Hilde nicht. Bis auf heute. Meine Güte, ein Jahrhundertpremiere! Wieder ein Grund mehr zu feiern.
Wir hatten uns erst im nächsten Zug verabredet.
Na gut, nun blieb mir ja eine halbe Stunde Zeit, um mich von diesem aussergewöhnlichen Vorkommen zu erholen und mich auf das kommende, freudige Ereignis in der Gems einzustimmen: das Miguel Zenón Quartet.
Der Saal war zu eng bestuhlt und die Rückenlehne bog sich für meinen Geschmack zu weit nach hinten, doch der Stuhl stand direkt vor der Bühne, genau in der richtigen Position.
Meine jazzungeübten Ohren hatten in den folgenden zwei Stunden nur Augen nur für ihn und sein Sax. GrossArtig!