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Tour

Lai da Rims (2.396 m)

Freue dich!

Allegra! ist ein rätoromanischer Gruß, der in der Zeit zwischen frühem Vormittag und spätem Nachmittag im Engadin und im Münstertal gesprochen wird.
Freue dich! Was für ein kleiner, großartiger Gruß! Der so perfekt zu meiner geplanten Tour passte. Ich freute mich ganz doll…endlich mal wieder alleine rumstromern, neue Wege entdecken, oben übernachten, in die Nacht reinlauschen, fotografieren…ich liebe es!


Ein sonniges Wochenende zwischen den Sintfluten war vorhergesagt. Voller Vorfreude packte ich mittags das Nötigste für eine Übernachtungstour und fuhr Richtung Engadin.
Ein 4-stündiger Ritt, erst über den Flüelpass, dann durch den Nationalpark und schließlich übern Ofenpass, brachte mich abends ans Ziel.
Santa Maria ist ein bezaubernder, kleiner Ort im Val Müstair. Ich hatte noch genügend Zeit, durch das Dorf zu schlendern, um die pittoresken Häuser zu betrachten. Die kleine Whisky-Bar hatte leider geschlossen. Sie erhielt 2007 einen Platz im Guinness Buch der Rekorde als die kleinste Bar der Welt.
Auf dem großen Parkplatz am Anfang des Dorfes hatte ich das Schlafmobil platziert. Nur selten störte ein vorbeifahrendes Auto die Stille.
Ich trank noch einen Schluck Rotwein, schaute lange dem Tag beim Entschwinden zu und schlüpfte glücklich und müdegeschaut in meinen Schlafsack.

Um 2 Uhr wachte ich auf. Lautes Stakkato-Trommeln auf dem Blechdach. Sintflutartiger Regen rauschte übers Val Müstair, dazu Blitz und Donner. Erst in den frühen Morgenstunden ließ das Unwetter nach und ich fiel in einen kurzen Tiefschlaf. Um 5 Uhr war es auch damit vorbei. Eine erst verstopfte, dann laufende Nase und Kopfbrummen kündete eine Erkältung an. Die letzte ist so lange her, dass ich schon gar nicht mehr wusste, wie es sich anfühlt. Verwundert und irritiert registrierte ich meinen Zustand, versuchte ihn dann zu ignorieren, trank den mitgebrachten Kaffee aus der Thermoskanne, aß ein Stück Zopf dazu, packte den Rucksack, zog die Bergstiefel an und wanderte los. Wenige Meter nach dem Parkplatz ging es links weg ins Val Vau. Erst mal lange auf breitem Forstweg, entlang der Aua da Vau, später an der Aua da Rims. Schon bald fiel mein Blick auf den weit oben von der Kante der mir zugewandten Bergkette abfallenden Wasserfall. Es ist bereits der Ausfluss des Sees, zu dem ich hinwollte.
Bei Tschuccai, nach dem Queren des Bergbaches, mündete der breite Weg nach einer Linkskehre in den steiler werdenden, schmalen Bergpfad ein. Als ich den steilen Aufstieg und die Felswand, durch die sich irgendwo der Weg durchwand, über mir sah, wollte ich wieder umkehren. Ich war müde und fühlte mich elend und kraftlos. Lief aber doch weiter, bis zur nächsten Kehre. Und dann wieder zur nächsten. Immer weiter. Dann der Schritt über die Kante und ich war oben an diesem paradiesischen Fleckchen Erde. Umrahmt von grandioser Bergkulisse des Piz Praveder, Piz Turettas und Piz Umbrail, lag mir der kristallklare, wunderschöne See wie ein Juwel zu Füssen und alle Mühen waren verflogen.
Lange rastete ich an diesem idyllischen Ort und genoss die einmaligen Kulisse, bis ich dann auf gleichem Weg im steilem Zickzack der Val Madonna entlang ins Tal abstieg.