2 Tage in der Touri-Hochburg Berner Oberland
1x den 4000ern ganz nahe sein…
Schreckhorn
Wieder mal scheinen sich 2 seltene Schönwettertage aufzutun, die wollen Fräulein K. und Bergfau H. nicht ungenutzt lassen.
Wir fahren nach Grindelwald und steigen dort in den Bus ein, der uns mit vielen anderen Touristen aus allen Winkeln der Erde zur Grossen Scheidegg bringt.
Von dort ist erst mal die Besteigung des Wildgärst geplant. Also laufen wir nicht wie alle anderen Richtung First und Faulhorn, sonder zweigen nach kurzer Zeit rechts ab und folgen dem Wegweiser „Wildgärst“.
Von da an wird es einsam. Bis auf 4 andere Menschen, die uns während der Tour engegen kommen, sehen wir den ganzen Tag niemand. Unglaublich in dieser tollen Gegend !
Erst mal geht es ohne nennenswerte Steigung zur Alp Oberläger.
Der Aufstieg wird allmählich anstrengender, das Gelände allmählich karger. Es wird auch merklich kälter, wir ziehen unsere Jacken an. Moränenberge türmen sich auf. Endlich kann man in den linken Talarm queren und folgt den weniger werdenden Markierungen in nun deutlichem Anstieg zum Blau Gletscherli, wo sich die Markierungen verlieren.
Nicht so der Hungerast. Zeit für ein ausgiebigeres Vesper.
Anschliessend geht es rechts des Gletschers hinauf zum Pass Wart (2704 m). Inzwischen ist von dem ehemals blauen Himmel nichts mehr zu sehen. Wir stehen mitten in der Wolke, auch die Berge ringsum sind weg.
Ich ziehe die Handschuhe an und hoffe auf schnelle Besserung..
Zum Gipfel des Wildgärst sind es noch 185 Höhenmeter, doch auf halbem Weg drehen wir wieder um, denn nun ist die Sicht komplett abhanden gekommen und zu allem Übel fängt es noch zu graupeln an. Für ein paar Sekunden reisst die Wolke auf und ich sehe das Häxenseeli, welches an unserem Weiterweg liegen müsste. Die Freude ist kurz, der Vorhang fällt noch gründlicher. So stochern wir weitere durch das weisse, kalte Nichts.
Ich finde keine Markierungen, so laufen wir in die Richtung, wo ich vorher das Seeli gesichtet hatte.
Mein Höhenmesser sagt mir irgendwann, dass sich hier der Weg gabeln müsste. Aber ich sehe keinen Weg, geschweige denn eine Gabelung, sondern nur, dass das Gelände in einen sehr steilen Abhang mündet. Alles zurück, wir müssen die Markierungen finden.
Wieder oben beim Pass Wart angekommen, halten wir uns links und laufen auf der Moräne statt unterhalb. Und dann sehe ich sie plötzlich aus dem Nebel auftauchen: rot-weisse Markierungen, sogar ein gelber Wanderwegweiser taucht auf! Erleichtert folgen wir wir dem 4 km langen Hühnertälli, erst am Häxeseewli, dann am Hagelseewli vorbei. Immer wieder gibt es Gegenanstiege, es zieht sich. Die Landschaft und die Aussicht auf diese ist hier vermutlich phänomenal, wenn man sie denn hat. Wir sehen weiterhin nichts ausser den Steinen unter unseren Füssen. Dann fängt es an zu regnen. Dann hagelt es. Dann schüttet es. Wie aus Kübeln. Wir würden ja gerne schneller laufen, doch das Gelände lässt dies nicht zu. In kürzester Zeit sind wir trotz Regenkleidung völlig durchnässt.So geht es weiter, bis wir Stunden später, bei Anbruch der Dämmerung auf dem Faulhorn ankommen.
Das Nachtessen haben wir verpasst, aber es gibt noch eine heisse Suppe mit Würstchen, genau das Richtige. Nach kurzem Schwatz mit den Tischnachbarn zieht es uns bald in die Koje.
Tag 2 – Vom Faulhorn zur Schynige Platte
Die langen Schlafpausen der kommenden Nacht fülle ich mit sinnlosen Gedanken an frisch gebrühten Kaffee und Gipfeli. Um 4 in der Früh geht dieser Zustand in eine konstante Wachphase über. Ich überlege abwechselnd, ob ich erst fotografieren gehe oder erst die Katzenwäsche erledige. Nach 2 Stunden entscheide ich mich spontan für die Katzenwäsche. Auf dem Aussichtsplateau bin ich dann die Zweite. der junge, hübsche Mann, dessen entwaffnendes Lachen mir gestern Abend schon aufgefallen war, begrüsst auch schon den Morgen. Es gibt durchaus blödere Gesellschaft und eine schlechtere Aussicht.
Das Berner Dreigestirn, tief unten der Brienzer See, darüber der Brienzer Grat, Wildgärst, Schwarzhorn, das wolkenumhangene Schreckhorn, das Finsteraarhorn und viele andere Gipfel und Gipfelchen entfalten im zarten Morgenlicht ihre erhabene Schönheit.
Die Anderen Gäste lassen aber nicht lange auf sich warten. Als sich das Gipfelchen zu überfüllen droht und der lilablassblaue Kitsch in goldenes Morgenlicht getaucht wird, hab ich die Bilder im Kasten und zeitgleich öffnet sich die verheissungsvolle Pforte zum Kaffee. Die Wirtin ist bestimmt an meinem Magenknurren aufgewacht.
Kurz danach schraubt sich der Versorgungs-Heli zur Hütte runter, alle rennen nach draussen. In der Zwischenzeit mache ich die Kaffeekanne leer und rüste mich für den weiteren Weg.
Dieser entpuppt sich als vielfältig und interessant, immer neue Perspektiven tun sich auf. Im Berghaus Männdlenen machen wir einen Kaffeestopp, dann wird es voll auf den Wegen. Erste Wanderer, die wohl mit der frühesten Bahn zur Schynige Platte gefahren sind, kommen uns entgegen. Es werden immer mehr, je mehr wir uns der Bergstation nähern.
Zeit, die Wege zu verlassen. Gerade rechtzeitig erreichen wir die Bahn und springen auf. Die Nostalgiebahn legt die sieben Kilometer lange Strecke in 50 Minuten zurück. Die Holzbänke in den Zugwagen und das Rollmaterial aus dem 19. Jahrhundert erinnern an vergangene Zeiten.
In Wilderswil wechseln wir in die normale Bahn und fahren zurück nach Grindelwald.
Es ist Freitag Abend und anschwellender Wochenendverkehr macht sich bemerkbar. Entsprechend zäh gestaltet sich die Rückreise nach Konstanz.