Bierwandern im Wallis
Hatte ich mich gefreut, eine neue Wanderkategorie erfunden zu haben – denkste! Gibts schon. Nach „Bierwandern“ gegoogelt und Monika Saxer gefunden.
Sie hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. Prost, Monika!
Normalerweise trenne ich mich ungern vor Tagesanbruch von meinem Schmusekissen. Es sei denn, man ist auf eine Zugfahrt verabredet und der Tag verspricht, ein bisschen grossartig zu werden. Und: der frühe Vogel fängt den Wurm. Sagt man.
Nur, da war kein Wurm, am Donnerstagmorgen, um 5:50 Uhr. Aber es gab Kaffee, den brauchen frühe Vögel auch. Und eine kleine Premiere. Das erste mal in 18 Jahren sah ich den Zeitungsausträger. Nicht nur frühe Vögel, im Zwielicht des anbrechenden Tages trifft man auch viel anderes Tierzeugs. Katzen. Rote, schwarze und Glückskatzen huschten aus der Räubernacht über die Strassen in die ungeschützte Morgendämmerung. Hunde. Während der Verrichtung ihrer wichtigen Geschäfte liessen sie ihre Führer geduldig an der Leine warten. Tiere an die Macht!
Am Kreuzlinger Bahnhof kam ich sehr früh an. Auch dort kein Wurm, dafür ein Geldautomat und eine Bäckerei. Wer sagt denn, dass es immer ein Wurm sein muss.
Mein geschätzter Wanderfreund und vorzüglicher Bahnkenner gab vorab Anweisung, wie der Zug nach Weinfelden zu besteigen sei, damit wir uns dort treffen könnten. Ich versuchte, alles richtig zu machen, doch mein Gehirn gab mir zu unchristlicher Zeit widersprüchliche Signale. Der Zug fuhr mit mir ab, der Wanderfreund mit der Fahrkarte scheinbar nicht. Blöd. Während ich mein weiteres Vorgehen überlegte, vibrierte das Handy und kurz darauf war alles gut.
Während der Fahrt nach Brig blieb genügend Zeit, eine in Frage kommende Tour auszuknobeln. Wir einigten uns auf Eischoll. Zeigte sich der Himmel in der Ostschweiz noch grau, erwartete uns nach dem Ausstieg in Brig wunderbares Wanderwetter. Freude herrscht!
Hinauf nach Eischoll. Wir entschieden uns für die vorhandene Aufstiegshilfe, in der wir dann noch eine kleine Lektion in Regional-Geschichte erhielten.
Die Luftseilbahn verbindet seit 1946 das auf einem Hochplateau gelegene Eischoll mit dem Rhone-Talgrund bei Raron und war die erste Luftseilbahn im Oberwallis.
Balsam für meine frauenrechtlerische Seele lieferte dann der zweite Teil der Lektion.
Im Bergdorf Unterbäch, einem Nachbarort von Eischoll, stimmten Schweizer Frauen Anfang März 1957, vor 61 Jahren also, erstmals an der Wahlurne ab.
Sie taten es subversiv, illegal, knapp anderthalb Jahrzehnte vor der Einführung des Frauenstimmrechts.
Hier war ich richtig!
Eischoll, auf einer schönen Hochebene gelegen, verströmte nostalgischen Bergbauernflair und himmlische Ruhe. Ein atemberaubendem Blick ins Tal öffnete sich, auf die gegenüberliegende Seite mit der Lötschberg Südrampe und die Berge mit dem knapp 4.000 Meter hohen Bietschhorn.
Von dort starteten wir auf dem wunderbar lichtschattigen Wolfspfad den Rundweg Richtung Oberems über Unterems zurück ins Tal nach Turtmann.
Oberhalb von Ergisch gab es Wegfindungsstörungen. Forstarbeiter rieten uns vom Weitergehen ab. Im oberen Wegverlauf soll es wohl öfters zu Nassschneelawinenabgängen kommen, die gefährlich werden könnten.
Wir beschlossen, nicht in einer Nassschneelawine enden zu wollen, stattdessen in Ergisch einzukehren und danach nach Turtmann abzusteigen.
Eine gute Entscheidung. Im Restaurant Obermatt in Ergisch gab es leider keinen Most, aber eine philippinisch-welsche Bedienung und Bier. Auf der sonnenverwöhnten Terrasse liess es sich aushalten. Die Spätschicht übernahm dann eine sächsich-welsche Kellnerin, die uns freudig noch mehr Bier brachte, worüber wir uns noch mehr freuten.
Wir machten es wie die Sonnenuhr. Aber leider haben auch die heitersten Stunden einmal ein Ende und auch der schönste Tag weicht irgendwann der Abenddämmerung.
Über Stock und Stein stiegen wir beschwingt ab nach Turtmann, um dort rechtzeitig den Rück-Zug zu erreichen.
Rein ins Wallis – heraus aus dem Wallis und dazwischen ein Wonnetag. Das Leben ist schön!
Ich glaube, ich hab mich klammheimlich, zwischen Wolfspfad und drittem Bier, ein ganz klein wenig verliebt ins Wallis.