Nach Caglio
Die Stille und die Vögel – ein betörendes Arrangement. Virtuoses Vogelkonzert weckte uns in den klaren, reingewaschenen Morgen. Was für eine wunderbare Ouvertüre!
Inzwischen hatte es sich ausgewittert. Auf der Terrasse erquickte ein aufgeräumter Morgenhimmel und der Tiefblick zum Comer See. Das Herz wollte gleich hüpfen vor Freude, weiter hinauf, doch die Beine und der Kopf verlangten nach starkem Kaffee, Kaffee, Kaffee, frischem Brot, Schinken und Käse.
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns von dem schönen Ort und wanderten weiter den Rücken hinauf, wo der gepflasterte Maultierpfad in einen Bergpfad überging.
Die Wegführung am Dorsale hält immer die Wahlmöglichkeit offen, entweder anspruchsvoller über die Gipfel zu gehen (Dorsale per Cresta), oder gemütlicher über eine Hangquerung um die Gipfel herum. Die Wege führen jeweils wieder zusammen.
Wanderbuddy isst nicht nur gerne Suppe, er kocht auch manchmal gerne sein eigenes Süppchen. Obwohl ein langjähriger Fan meiner Schindertouren, hatte sich auf seinem Navi der Track ,,Dorsale Normal“ eingenistet, auf meinem protzte aber der ,,Dorsale per Cresta“.
Vor jedem Hügel entbrannte so eine erfrischende Diskussion. Drum rum oder oben drüber? Bei den heutigen, buckligen Hindernissen punktete ich mit ,,och die paar Meter, die lauf ich hoch. Wir treffen uns nachher an der Kreuzung“ Das wollte Wanderbuddy dann doch nicht. Wir trafen uns stattdessen jeweils oben an der Kuppe und erfreuten uns gemeinsam am herrliche Panorama. Die glänzenden Gletscher der Zentralalpen blieben zwar hinter Wolken verborgen, doch die Tiefblicke auf den leuchtend blauen See bis zur meist dunstverhangenen Poebene raubte immer wieder den Atem.
Am prächtigen Gipfelkreuz des Monte Bolettone trafen wir auf die ersten Menschen, eine kleine Wandergruppe mit Hund. Wir wechselten ein paar Worte und erfuhren vom heutigen Feiertag Peter und Paul.
Ein sacksteiler Wiesenkamm führte weiter zur gut frequentierten Gipfelpyramide auf dem Monte Palanzone, er sollte heute unsere höchste Erhebung sein (1.435 m / Como 201 ü.NN)
Im leichten Abstieg über die unbedeutenden Kuppen Monte Bul, Monte Croce und Braga di Cavallo gelangten wir zur Abzweigung, die nach Caglio, unserem heuteigen Etappenziel, führte. Hierin waren wir uns total einig. Mit Wanderbuddys uneingeschränkter Zustimmung schlugen wir diesen Weg ein. Allerdings zauberte ich noch eine Abkürzung aus dem Hut, mit der wir in Fallinie durch den steilen Wald 2 langgezogene Serpentinen abschnitten. Buddys Navi kannte diesen Weg nicht, meins schon, es ist schließlich gut erzogen. Uh! Kleine Wölkchen der Skepsis waberten um Buddys Stirn. Aber der Pfad war mit etwas Phantasie fast zu sehen, die anfänglichen Bedenken wichen der Zuversicht und Buddy folgte mir ohne zu murren.
Nach ca. 45 Minuten erreichten wir den stattlichen Gebäudekomplex unserer heutigen Unterkunft Residenza Santa Valeria.
Das Tor war offen, aber niemand zu sehen und die anderen Türen noch abgesperrt. Als Ankunftszeit hatten wir mit der Betreiberin Paola 17 Uhr ausgemacht, nun waren wir 1,5 Stunden früher da. Ein älterer Mann, der Vater von Paolo, tauchte plötzlich auf der Terrasse auf, öffnete uns die Pforte und führte uns durch die fürstlichen Gemächer der Residenz. Historische Möbel und Deko überall, ein wunderschön muggelig eingerichtetes Zimmer, hübsch reinlich hergerichtet. Und alles unsers – auch hier waren wir die einzigen Gäste. Wir konnten unser Glück kaum fassen! Ein kleiner Wermutstropfen: Neskaffee statt gutem. starkem. italienischem. Espresso.
Nach einem ausgiebigen Nickerchen wurden wir von unseren knurrenden Mägen geweckt. Gegenüber befand sich eine Pizzeria, doch dort gab es nur an bestimmten Tagen etwas zu Essen, unser heutiger Tag war leider nicht dabei.
Ein paar hilfsbereite, junge Männer verrieten uns zum Glück den Weg zu einer anderen Pizzeria in der Nähe einer Wallfahrtskirche. So pilgerten wir abends nochmal hinauf, wurden fündig und erfreuten uns an Speis und Trank.