Nun sind es schon wieder zwei Wochen her, seit ich am Hamburger Ortsschild stand und dachte: ok, das haste jetzt auch erledigt. Der grosse Knall blieb aus, da war kein erhabenes Gefühl, nur eine unglaubliche Erleichterung, das Ziel endlich erreicht zu haben. Die letzten drei Etappen waren sehr strapaziös und saugten alle Energie aus mir heraus.
Ich schaltete sofort in den Grossstadtmodus und war dann ziemlich beschäftigt, die verschiedenen Treffen zu organisieren, auf die ich mich sehr freute.
Seltsamerweise kamen die grossen Emotionen einen Tag früher, als ich in einem Supermarkt, vor meiner letzten Übernachtung draussen im Zelt, noch zwei grosse Flaschen Wasser erstand.
Dort sprach mich das Mädel von der Kasse an, fragte, wohin ich mit dem grossen Rucksack unterwegs sei. Ich erzählte ihr während dem Bezahlen die Kurzversion meiner Reise.
Die junge Frau war so begeistert, und obwohl sich eine lange Schlange hinter der Kasse bildete, wollte sie alles wissen und verstand dann auch, warum ich ausschliesslich Wasser und davon viel kaufte.
Draussen vor dem Laden schossen mir plötzlich die Tränen in die Augen, hemmungslos fing ich an zu weinen und konnte lange nicht damit aufhören. Sechs Wochen intensivstes Erleben lagen hinter mir. Glück, Erschöpfung, Freude, Traurigkeit – alles kam da zusammen und brachte das Gefühls-Fass zum Überlaufen.
Und dann erinnerte ich mich an die Wirtin des Gasthauses „Zur Oase“ in Feldatal, mitten im hessischen Naturpark Vogelsberg. Dort – ich hatte grade mal die Hälfte der Strecke hinter mir – verbrachte ich einen Ruhetag, wusch meine Kleider, trocknete mein feuchtes Zelt, duschte und schlug mir den Bauch voll.
Eigentlich wollte ich weiterlaufen, aber es hatte in der Nacht schon geregnet, mein Zelt war nass und es war ergiebiger Regen für die folgende Nacht angesagt. Das Gasthaus „Zur Oase“ trug den passenden Namen, ich war überglücklich, dort ein Zimmer zu bekommen – es war eine echte Oase.
Wir redeten lange über die Landflucht, Gott und die Welt miteinander. Sie erzählte mir, wie das Hotel, welches ursprünglich anders hiess, zu seinem Namen kam. Ihr Grossvater, ein Versprengter im Nordafrikakrieg, landete auf seinem Irrweg in einer Oase und wurde dort sehr herzlich aufgenommen und verpflegt. Aus Dankbarkeit über die aussergewöhnliche Gastfreundschaft gab er dem Hotel nach seiner Rückkehr den Namen „Zur Oase“.
Als ich ihr von meinem Vorhaben erzählte, sagte sie: „wenn Sie erst mal in Hannover sind, ist das meiste geschafft. Und wenn Sie dann in Hamburg ankommen, dann können Sie ruhig ein bisschen damit angeben. So etwas macht ja schliesslich nicht jeder!“