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Ungereimtes

Die Bleiche

Gestern abend sass ich wieder mal in der Bleiche zu einem vorzüglichen Fisch-Dinner mit anschliessendem, oberleckeren Nachtisch.
Erstaunlich, wo es im Sommer so trubelt und man schier um guten, unbesetzten Platz kämpfen muss, gähnte Leere. Freie Parkplätze und den Tisch konnten wir aussuchen zwischen „Oberrhein“ und „Niederrhein“. Schwäne paddelten am Fenster vorbei und der Blick aufs Wasser und das abendliche Wolkenschauspiel vermittelte eine wunderbar friedliche Stimmung. Ein wirklich paradiesisches Fleckchen, um den Wochenstress hinter sich zu lassen.
Das Personal war wohl etwas unterfordert und in den Pausen der 10-minütigen Frage-Intervallen „ist bei Ihnen alles in Ordnung“ – was es durchaus war – sinnierten wir über die geschichtsträchtige Vergangenheit des Gebäudes, in welchem wir heute kulinrischen Genüssen frönen und in dem wohl früher Menschen geschwitzt und geschafft haben.
Die grossformatigen Drucke an den Wänden zeugen von einer Vergangenheit, über die uns, ausser dass hier einmal eine zelteproduzierende Fabrik florierte, recht wenig einfiel.
Dem Informationsdefizit habe ich dank Google gleich mal Abhilfe geschaffen, wurde auf diversen Seiten fündig und hab folgendes zusammengetragen:

„Die Straßen im Gewerbegebiet Stromeyersdorf direkt am Rhein in Konstanz tragen heute noch die Namen derer, die hier einst arbeiteten: Näherinnen, Weberinnen und Färber. Sie nähten, webten und färbten in flachen Manufakturgebäuden für die Zeltfabrik von Ludwig Stromeyer, der sich das Ensemble seiner Fabrikgebäude um 1905 vom Industriearchitekten Philipp Jakob Manz errichten ließ. Um einen geschlossenen Arbeitsablauf zu gewährleisten, entwarf Manz große, eingeschossige und hintereinander gestaffelte Fabrikhallen, zwischen denen Straßen verliefen, so dass das Ganze wie ein Dorf wirkte, eben Stromeyersdorf.
Der Namensgeber Ludwig Stromeyer fing im 19. Jahrhundert mit Juteverarbeitung an und es gelang ihm als erstem Unternehmer, wasserdichte Gewebe zu fabrizieren, die als Militärzelte und als Decken für die Eisenbahn und für den Privatgebrauch verarbeitet wurden. Da die Herstellung von maschinell geprägten Stoffen ein Novum war, wurde das Unternehmen nun auch international bekannt. Ab 1878 nahm Stromeyer die Produktion von Zirkus- und Schauststellerzelten auf und festigte damit seine führende Marktstellung. Zunächst in der Konstanzer Münzgasse ansässig, verlagerte er mit dem boomenden Zeltgeschäft die Produktion auf das Gelände des Lohnerhofs am rechten Rheinufer, wo sich bereits die Bleiche befand. Schon kurz nach der Jahrhundertwende errichtete das Unternehmen auf ihrem Fabrikgelände, dem Stromeyersdorf, auf über 150.000 qm eine moderne Industrieanlage, die allen Anforderungen eines Großbetriebs entsprach. Durch die ständige Expansion des Unternehmens und den damit bedingten Anforderungen an Fabrikationsräume und Lagerhallen erfuhr die Fabrikanlage eine kontinuierliche Erweiterung ihrer baulichen Anlagen bis in die 50er Jahre.

Neben den schlichten Fabrikhallen entwarf Manz die Kontorbauten im so genannten „deutschen Nationalstil“, der um 1800 aufkam. Während die Bleiche als Riegel zur Rheinseite hin erhalten blieb, stellte der um 1910 erbaute Wasserturm für das Sprinklersystem in den Fabrikhallen eine weithin sichtbare Geländemarke dar.
Der Wasserturm wurde bereits in Stahlbeton gegossen, während die Fabrikhallen und die Kontorbauten noch traditionell gemauert wurden. Zusammen mit der Bleiche hat sich der Wasserturm als identifikationsstiftend für Konstanz erwiesen. Neben einigen Verwaltungsgebäuden und nur wenigen Fabrikhallen haben auch Bleiche und Wasserturm die Schließung der Zeltfabrik 1989 überstanden, denn die alten Strukturen sind nur teilweise erhalten, vor allem die ganzen eingeschossigen Fabrikhallen wurden abgerissen.
Obwohl sich die Firma in den 50er Jahren durch internationale Aufträge und Patente, wie die Textilbauten für die Olympischen Spiele 1972 in München, wirtschaftlich zu erholen schien, konnte nicht verhindert werden, daß der Großbetrieb 1973 Konkurs anmelden mußte. Doch erst im Dezember 1984, 11 Jahre nach Beginn des Konkursverfahrens, schlossen sich nach zähen Kämpfen und einem schrittweisen Abbau der Belegschaft die Türen für die letzten 250 Arbeiterinnen und Arbeiter. Heute erinnert auf dem Gebiet Stromeyersdorf noch die Bleiche und der Wasserturm an die früheren Zeiten. Sie sind eingebettet in eine Überplanung des Gebietes, die dort in den vergangenen Jahren ein neues, hochwertiges Gewerbegiet entstehen ließ.“

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Ungereimtes

Basler Morgenstraich

Mein Freund, das Chaos, war auch dabei.
Das Chaos ist verlässlich und unkaputtbar.
Alles fing wie immer ganz harmlos und gut gemeint an, dann heftete es sich leise und unbemerkt an meine Fersen.

Vorrausgehend zog sich ein miesewettertauglicher, gemütlicher Geburtstagsbrunch lindwurmartig durch den Tag bis in den frühen Abend.
Um 22:29 Uhr sollte dann unser Zug nach Basel zum Morgenstraich zuckeln. Fahrpläne steckten korrekt ausgedruckt in meinem Rucksack. 5 nach 10 fuhren wir los Richtung Stadt, ich stellte die Shrunk-Limousine vor meine Haus- und Hofwerkstatt in die Nähe des Bahnhofs mit der Absicht, dass mein Hofmechaniker bis zu unserer Rückkehr die Kiste unter sein fachmännisches Visier nimmt. Undefinierbare Klopfgeräusche bei Geschwindigkeitsverlust, stinkender Qualm aus beiden Vorderrädern und apruptes Zicken und Stehenbleiben am Berg bei der letzten Ausfahrt veranlassten mich zu dieser Massnahme. Ich warf also den Zündschlüssel mit ordnungsgemässem Handzettelauftrag in den Briefschlitz und wir trabten los zum Bahnhof.

Als wir am Bahnsteig eintrafen, fuhr gerade ein Zug ab. Ich schaute auf die Uhr – das böse Denken war schon im Anmarsch – wir hatten aber noch 10 Minuten. Das böse Denken verflüchtigte sich wieder. Die Fahrkarten, die gar nicht mal so billig waren, schon gelöst, schauten wir noch mal auf die Fahrplantafel. Hm, da stand was anderes als auf meinem Druck. Argh! Schweizer Bahnhof in Konstanz ist was anderes als Kreuzlinger Bahnhof in Kreuzlingen – fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren…du böser Denkfehler du!
Zug weg, Zündschlüssel weg – gekonnt…

Das Handy, mein ungeliebter Freund, zitierte den Mechaniker zeitplanmässig hinter den Briefschlitz zum Zündschlüssel und klopfend nahmen wir die Verfolgung der Eisenbahn auf. Zürich, 00:06 Uhr, das könnten wir schaffen. Rauf auf’s Gas, bei Frauenfeld runter wegen Blitzer, bis Zürich wieder rauf. 23:45 Zürich an, rein ins nächste Parkhaus, den heutigen verpassten Waldlauf als nächtlicher Züricher Strassenlauf nachgeholt, um 00:02 am Gleis 16, rein in den überfüllten Waggon und los Richtung Basel – röchel.

In Basel tobte das Leben. Alles was Beine hatte und noch mehr war unterwegs. Wir trollten uns auf einen Cafe Creme in eine der gut geräucherten Kneipen und zogen dann durch die von Trubel erfüllte, nächtliche Stadt. Zwischendurch machte immer wieder Petrus seine Schleusen auf, doch pünktlich um 4:00 Uhr schloss er sie wieder zeitgleich mit dem Verlöschen aller elektrischen Lichter der Innenstadt. Auf Kommando tauchten dann aus allen Himmelsrichtungen und Gassen pfeifend, trommelnd und gänsehauttauglich die Maskierten auf. Tausende von Menschen säumten die Strassen und verfolgten mit Blicken und Kameras das archaische Treiben.

Stunden später – der Wettergott war uns zum Glück wohl gesonnen und es blieb trocken – fuhren wir müde, durchgefroren aber glücklich wieder nach Zürich, und von dort erstaunlicherweise ohne glühende Bremsen und Klopfgeräusche zurück nach Konstanz, wo der Schlaf der Gerechten auf uns wartete.
Schee wars!

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Ungereimtes

Loch. Großes.

Es war einmal ein Zahn,
der sass in meinem Kiefer,
er war der helle Wahn,
ein grader, nicht ein schiefer.

Er kaute Tag für Tag,
manch Brötchen mit Belag.
Auch die Möhr vom Acker,
tat er zermalmen wacker.

Der Zahn der wurde älter,
da sprach der Zahnarzt: „Geld her!
Steig hinauf auf diesen Thron,
dann kriegt der Beisser eine Kron“.

Das Geld war weg, die Kron war drauf,
da nahm das Schicksal seinen Lauf.
Die Wurzel tat entzünden sich,
fing an zu brennen fürchterlich.

Der Mann im weissen Kittel,
mit vornedran nem Titel,
der runzelte die Brauen:
„Der Zahn wird nicht mehr kauen.“

Er griff beherzt zur Zange,
da wurd mir Angst und Bange.
Erst wehrte sich das Zähnchen noch
an seiner Statt klafft nun ein Loch.

Dank und Gruss an all die zahlreich gedrückten Daumen und Grosszehen!

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Ungereimtes Yoga

Kurmasana

Der Gordische Knoten aus Armen und Beinen heißt auf indisch „Kurmasana“, die Schildkröte, und soll als eine klassische Übung des Hatha Yogas die Wirbelsäule entkrampfen und den Geist beruhigen. Nach einigen Minuten des Verharrens in dieser Stellung geht es in die Ruheposition, dann wird das nächste Asana, so nennt man die einzelnen Übungen, eingenommen – vorrausgesetzt, man kriegt den Knoten wieder auf und hat das Atmen nicht vergessen.

BTW – der älteste bekannte Schildkrötenopa Adwaitya („der Unvergleichliche“), starb 2006 mit 256 Jahren im Zoo von Kalkutta.

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Musikuss Ungereimtes

Lez Zeppelin

Lez Zeppelin, in der Presse als stärkste Frauenrockband der Geschichte gelobt, spielten am Freitag Abend im Tuttlinger Rittergarten.
Auf dem Weg dorthin scheuchte uns das Navi in abenteuerlicher Weise 3 mal durch das „Zentrum“ von Tuttlingen, bis wir dann zielgenau einen offiziellen Parkplatz direkt vor dem Rittergarten ergatterten. Die Lokalität ist urig-rustikal; eine Kneipe mit zugehörigem kleinen Saal und Bühne.
Der Laden füllte sich rasch und war zu Beginn des Konzerts rappelvoll.

Als die New Yorker Mädels, die vor kurzem ihre erste Europatournee starteten, um ca. 21 Uhr die Gitarre aufheulen liessen und die Drummerin losnagelte, gab es kein Durchkommen mehr.
Sarah, die Stimme, Helen an den Drums, Jimmy Page alias Steph und Bassistin Lisa entführten das Publikum mit einer gigantischen Show für ca. 2 Stunden zu einer Zeitreise in die Good Old Seventies.
Dem am Anfang neugierig-witzelnden, aus allen Altersklassen und von Glatze bis Mähne zusammengesetzten Publikum, heizten die Damen mit ihrem mächtigen Sound voller Enthusiasmus schnell die Skepsis aus den Köpfen und pure Begeisterung in die Gesichter und Beine.
Drummerin Helen forderte meinen höchsten Respekt, überzeugte mit ihren Soloeinlagen und legte los, als wolle sie die Apokalypse herbeitrommeln; Gitarristin Steph improvisierte mit psychedelischen Riffs wie einst ihr Vorbild Jimmy Page.
Wie ärgerte ich mich, als ich zur Kamera greifen wollte, und stattdessen nur zwei frischgeladene Akkus in meinem Handtaschenchaos fand.
Zum Glück liess sich ein netter Mensch, der hinter mir eifrig am Ablichten war, davon überzeugen, dass meine Frage nach seiner Mailadresse und ein paar Pics kein origineller Anbaggerversuch war, und so kam ich dann noch zu meinen erhofften, nachträglich verschlimmbesserten Konzertbildern. Herzlichen Dank an dieser Stelle an Eugen und Jutta aus Schonach, die gleich am nächsten Tag die Fotos durchs Netz jagten.
Die All-Girls Led Zeppelin Tributband oder „Chicks with Picks“, wie das amerikanische Popmagazin „Spin“ die Band taufte, spielten nah am Original, verliehen den Vorlagen jedoch ihre spezielle, eigene weibliche Note, weit entfernt vom Karaokeeffekt, mit einem „geschlechtsverkehrten Rücksturz in die Rockgeschichte„, so in der „Zeit“ rezensiert.
Auf „Stairways to Heaven“ oder „Whole Lotta Love“ wartete das Publikum vergebens, die Mädels verzichteten kess auf diese Musts, was dem Konzert aber definitiv keinen Abbruch verlieh und durch frenetischen Beifall bestätigt wurde.
Fast taub, ohne Durchblick und mit Tränen in den Augen verliessen wir die Bude nach Ende beinahe fluchtartig, brauchte ich doch selbst fast den ganzen Abend nicht zu rauchen; die Abgase der zahlreichen qualmenden Fans versorgten mich im Überfluss mit dem nötigen Stoff.
Dies war jedoch nur ein klitzekleiner Wermutstropfen dieses tollen Abends, der mit einer ordentlichen Nase voll Frischluft schnell wieder ausgeglichen war.
Keep on rockin‘ Mädels, mehr davon, das war klasse!