Die versprochenen 35°C liessen uns wieder mal in höhere, kühlere Bergregionen flüchten.
Heute war unser Ziel die Jöriseen, wildromantisch gelegen, jenseits des Flüelapasses, südlich von Davos. Vom Parkplatz Wägerhus auf 2200m ü.M. steigen wir durch karge Felslandschaft auf gutem Weg zur Winterlücke (2787m) auf. Während des Aufstiegs nimmt die Vegetation immer mehr ab, analog zu den Geräuschen, die von der Passstrasse hier rauf dringen. Die von giftgrünem Moos überzogenen Felsbrocken werden dafür immer grösser. An der Winterlücke angekommen, sorgt eine kräftige Brise für angenehme Temperaturen und wir werden belohnt mit einem ersten Ausblick auf die surrealistisch anmutende Landschaft, in welche 20 Seen auf rund 3 qkm Fläche eingebettet sind. Jeder dieser Seen hat seine eigene Farbe, von dunkelblau über kitschtürkis bis zu milchigweiss mit rötlicher Einfärbung reicht das Spektrum, phantastisch! Auf dem Rundweg klappern wir einen See nach dem anderen ab – da es weit und breit keine Seilbahn und auch keine einladende Berghütte mit Verpflegung gibt, werden wir dabei weitgehend nur von unseren Schatten begleitet.
Als wahre Überlebensküstler erweisen sich die bunten Bergblumen, die überall zwischen den glitzernden, in unterschiedlichsten Grautönen gefärbten Steinen wachsen. Das tiefe Blau, welches man in dieser Nuance nur in den Bergen findet, ein sattes, leuchtendes Sommergelb, kräftiges Lila und strahlendes Weiss der Blüten kommen auf dem grauen Hintergrund besonders intensiv zur Geltung – ein wahres Fest für die Sinne.
Es ist sicher Geschmackssache, aber ich liebe diese karge, steinige Landschaft.
Einzigster Wermutstropfen heute: die Sonnencreme hat versagt. Lichtschutzfaktor 20 haben wir offensichtlich überschätzt – die UV-Strahlen da oben haben unsere unverhüllten Extremitäten zartkrebsrot eingefärbt.
Ach ja, übrigens, heute war ich mit Sohnemann allein unterwegs. Es ist noch gar nicht so lange her, da hörte ich auf solchen Touren immer das Echo vom Berg: „Macht kein Spaaass. Du rennst uns immer davon.“ Heute klang das Echo so: „Ich lauf dann mal bis nach oben und warte da auf dich.“ Hm, so hatten wir nicht gewettet. Die heutige Jugend…
Autor: Hilde
Unsichtbare Worte
ins Vergessen geschrieben
von fliegender Hand
dem Schwarz der Nacht
ein Zeichen gesetzt
ins Licht
Weit jenseits aller Vorstellung von Falsch und Richtig ist ein Feld. Dort werden wir uns treffen.
Rumi
An manchen Tagen gerät einiges durcheinander, was vorher geordnet in Schubladen sortiert war. So ein Tag fängt z.B. mit einer schönen, harmlosen Wanderung auf die Hochalp im Toggenburg an.
Im Vorbeigehen begegnete uns kurz der Tod inklusive der Erinnerung an die Einmaligkeit jedes Augenblicks.
Marder haben einen hübschen Pelz. Der Totengräberkäfer hatte aber mit seiner Arbeit schon begonnen. Alles, auch Schönheit ist vergänglich.
Auf der Rückfahrt an der Tanke gabs ein Eis, welches im Kreisverkehr unbemerkt einen Teil seiner Schokoladenhülle verlor. Diese schmolz sofort unter meiner weissen Hose und hinterliess einen grossen, braunen Fleck am Hosenboden. Scheiss drauf! Wo braun drauf ist, ist zum Glück nicht immer braun drin.
Das kleine Nickerchen vor den Abendaktivitäten wurde kurz nach dem Wegnicken durch Katzenterror unterbrochen.
Wir retteten das Leben der Maus, zum anklagenden Unverständnis der Katz. Verständnis ist relativ – Katzen sind zwar Raubtiere, aber die Einzelteile einer Maus gehören nicht auf den Wohnzimmerteppich. Punkt. Ich entschuldigte mich artig für das Entreissen der Beute und lobte das Tier widerwillig.
Der folgende Versuch, den Kühlschrankinhalt für’s Wochenende zu optimieren, wurde durch eine Neuauflage des Katz- und Mausspiels sabotiert. Fixalleluja!
Die Maus entkam – ausgerechnet in mein Schlafzimmer.
Mäuse sind süss. Aber süsse, grosse Mausknopfaugen, die meine wilden Zuckungen im REM-Schlaf beobachten, sind mir suspekt und somit artete die Angelegenheit in eine rasante Mäusejagd aus.
Mäuse sind auch klein und schnell. Das halbe Zimmer musste ich auf den Kopf stellen, bevor mir nach ca. 2 Stunden die Gefangennahme im Salatsieb gelang.
Maus raus, Katz rein – inzwischen ist es knapp vor 23 Uhr.
Die Jungs von Skin’n Bone sind ja bekanntlich Feiermarathonisten, da standen die Chancen auf ein abschliessendes Samstags-Relaxed-Clubbing im lauschigen Naturfreundehaus-Areal am Rhein gut.
Dort passierte die Sache mit dem Rücken und den Schmetterlingen, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Die Party war toll und die Nacht war lang.
Patti Smith X-Tra
Verschnupft, verblast, verkniet, verzahnt, verplant, verpeilt – die vergangene Woche könnte man ohne Skrupel in die Tonne kippen. Doch dann kam Doc Leonhard, Retter der Laune und Kniegelenke. Der wandelte – vorerst verbal – auf wundersame Weise mein irreparabel geglaubtes, arthrotisches Kniegelenk flugs in ein reparables, nur Meniskalzerschlissenes. Die zu erwartende Krückenlaufzeit reduziert sich somit auf ein Minimum – wenn schon Sch…, dann wenigstens mit Schwung. Kurz nach meinem Ausflug in die Schwarzwaldklinik folgte der Gang auf den Liegestuhl. Dieses mal nicht auf den vom OBI, sondern auf den in der Zahnarztpraxis. Beim Anblick der vielen, winzig-präzisen Foltergerätschaften klappte mir vor Ehrfurcht der Unterkiefer auf’s Brustbein und stumm in mich hineinleidend, verharrte ich in diesem Zustand für die folgenden zwei Stunden. Auch die schöne, klassische Musikuntermalung konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies ein Ort des Grauens ist. Und nichts gibt’s umsonst. Wer richtig gequält sein will, soll wenigstens auch ordentlich dafür bezahlen, stolze 700 Euro kostete mich der Wahn mit dem Zahn.
Nachdem meine schief hängende Gesichtshälfte wieder in die Ursprungsposition zurückgeschnellt war, konnte ich mich endlich dem Highlight der Woche widmen, welches dafür sorgte, dass diese doch nicht restlos im Sondermüll verschwand.
Patti Smith live – Jahrzehnte hab ich auf dieses Ereignis hingearbeitet. Der vorangegangene Tag bot zwar nicht die Basis für maximal ungetrübtes Konzertglück, doch inzwischen konnte ich die Zähne wieder zusammenbeissen und im X-Tra fand sich sogar noch ein Sitzplatz auf einem Barhocker. Hoch über dem Geschehen, zwar in gebührender Distanz zur Bühne und hinter Glas, aber gut belüftet und mit bester Sicht und gutem Sound.
Faszinierend, mit welcher Präsenz und Energie die 60jährige Rocklady ihr Repertoire präsentierte, welches sich aus zum Teil eigenwillig interpretierten Coverversionen von Klassikern der Rockgeschichte und grossen Songs aus ihrem 30jährigen Schaffen zusammensetzte. Bis auf einen kleinen Zwischenfall, bei dem eine Meute von Fotografen ihr allzu dicht auf den Pelz rücken wollte und sie das wütend mit „Get your fucking cameras off my face!“ kommentierte, rockte Patti gut gelaunt zwei Stunden ohne Pause und liess sich am Ende noch zwei Zugaben entlocken.
Ein tolles Konzert, ohne Frage, auch wenn mir der Blickkontakt mit Patti versagt blieb und der Abend etwas zerknautscht war…
P.S. völlig zusammenhangslos, aber spassig: unter 58.100 Einträgen bei Google zu: „ein bisschen Haue gern“ ist Spinnennetz auf Rang 3. Sollte mir das etwa zu denken geben???
Patti Smith in Zürich
„Wenn an Siebenschläfer die Knochen pochen, so pochen sie vier ganze Wochent“.
So oder so ähnlich lautet eine hildemässig abgewandelte Bauernregel zum heutigen Tag.
Dabei wollt ich am Sonntag nur ganz harmlos meine neue Bergbereifung testen. Seither lauf ich mit offenen Schlappen durch die Gegend, und das bei dieser Kälte. Hat irgendjemand Mitleid? Nein? Dann kann ich weitererzählen. Zwei gigantische Löcher, die kurzzeitig mal Blasen waren, zieren meine Fersen. Ausserdem ist mir ein Grosszehnagel während des 1200metrigen, barfüssigen Abstiegs abhanden gekommen. Die Schuhe sind toll. Ich werd ihnen treu bleiben; am Wochenende gibt’s das nächste Extrem-Blasing.
Morgen geht’s aber erst mal in die Schwarzwaldklinik, zum Brainstorming für die zukunftsorientierte Bergtauglichkeitsoptimierungs-OP. Dr. Brinkmann ist tot, es lebe Dr.Leonhard. Der wird mir dann hoffentlich meine lang und heiss ersehnten Steinbockhufen transplantieren.
Was ich aber eigentlich sagen wollte: morgen ist der 28. Juni. Und morgen abend wird Standfestigkeit getestet. Im X-Tra in Zürich. Dort wird auch Patti Smith sein. Und darauf freu ich mich ganz doll…mit oder ohne Schlappen.