Der Kreis schließt sich
Im weiten Tal des Stewart River wird der Fluss immer breiter und die Kurven weniger. Zum Essen gibt es Reis mit Bohnen, Nudeln mit Tomaten, Kartoffeln mit Spiegelei und dann wieder Reis mit Karotten, Nudeln mit Tomaten. Neu im Speiseplan hinzugekommen: Folienkartoffeln, ein selbstgebackenes Brot und Riz Kasimir.
Unsere Körperfunktionen haben sich inzwischen synchronisiert, die Aufgaben sind klar verteilt. Bernd, der Lagerbauer und Mückentöter, ich, die Feuerbeauftragte. Holz sammeln, Holz hacken und Holz anzünden. Das Leben ist schön und meine Feuer sind schöner. Wenn es keine Mücken zu töten gibt, schleicht sich der Mückentöter manchmal morgens aus dem Zelt und zündelt heimlich, wirft wahllos Äste kreuz und quer übereinander. Ich lasse ihn gewähren, solange er mir anschließend Kaffee ans Zelt bringt. Danach muss ich erst mal das Feuer aufräumen, um mein persönliches Feng Shui wiederherzustellen, derweil er sein Feng Shui im Zelt optimiert. Wir ergänzen uns prima
Außer dass wir mit starkem Gegenwind zu kämpfen haben, plätschern die Tage zwischen dem Seven Miles Canyon und den Five Miles Rapids gemütlich und unspektakulär dahin. An den Rapids ist dann Schluss mit Plätschern. Eigentlich wollten wir vor dem Horseshoe Slough (7), einer Schleife, wo der Stewart nach Norden abknickt, unser Lager aufschlagen. Doch wir finden keinen geeigneten Platz und paddeln immer weiter, bis wir aus der Ferne das Rauschen der Five Mile Rapids hören. Wir erkunden die Stromschnellen vom Ufer aus. Hier machen wir die Erfahrung, dass ein Bushwalk eine äußerst anstrengende, schweißtreibende Angelegenheit ist. Sich in einer eventuellen Notsituation durch den Busch zu schlagen, ist deshalb kein guter Rat. Nach dem Kampf mit undurchdringlichem Buschwerk sowie kreuz und quer liegender Bäumen ziehen wir uns zur Beratung zurück. Durch den hohen Wasserstand sind die Rapids zu wild für ein Durchkommen mit unserem Lastkahn und Treideln scheint auf dieser Seite aussichtslos. Zurück auf Los, rein ins Kanu und nochmal 5 km flussaufwärts, bis wir einen halbguten Lagerplatz finden. Nach 75 Paddelkilometern gibt es dann nur noch schnelles Dosenfutter und ab in die Schnarchtüte.
Am nächsten Morgen eine Seilfähre auf die andere Flussseite, wo das Ufer dann überraschend freundlich aussieht, nicht so hoch und stark bewachsen, hier können wir das Kanu durch die ca. 500 Meter langen Stromschnellen mit WW III treideln. Nach ca. 3 km erreichen wir die Three Mile Rapids, dieses mal auf der richtigen Seite. Neues Spiel, neues Glück. Hier ist Treideln mit vollem Boot durch die vielen Felsvorsprünge, die mächtige Walzen erzeugen, nicht möglich. Portagieren ist angesagt. Alles raus aus dem Kahn, die Felsen hochschleppen, dann den Kahn hochziehen, das ganze wieder rückwärts, rein in den Kahn und weitere 5 km bis zu den Fraser Falls (8). Auf einem 900 Meter langen, guten Trail können wir dort das Kanu und die Ausrüstung gut um das tosende Wasser tragen.
Wir haben noch genügend Zeit und Vorräte, so schlagen wir auf einem wunderbaren Platz am Ende des Portagetrails hinter den Falls unser Lager auf und gönnen uns dort einen Ruhetag.
Ich liege lesend am Ufer, als ich ungewöhnliche Geräusche höre. Erst denke ich Bär! Wolf! Elch! und rufe: Bernd, da ist was im Busch! Die Bären tragen Mützen und Paddelkleidung und schleppen Tonnen…was für eine Überraschung! Nach zweieinhalb Wochen ohne menschliche Begegnung wirken die zwei jungen Männer auf uns wie Aliens. Ein Wissenschaftler, der die Permafrostböden erforscht und sein Kanuguide, wie wir bei einem Schwatz erfahren.
Nach diesem netten Intermezzo schippern wir ohne weitere Hindernisse in den folgenden zwei Tagen nach Mayo, wo wir nach 20 Tagen und 424 Paddelkilometern am Wasserflugplatz (9) mit einem schönen Regenbogen empfangen werden.