Wetter? Pffft!
Fast könnte man meinen, das Wetter passe sich an, suche den Schulterschluss zum gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Klima. Es gibt Krieg, auch in Europa, böse Zungen, Klimakatastrophe, Inflation, teure Energie und billige Versprechungen. Düstere Aussichten, überall. Und kein Ende in Sicht.
Und doch ist da ein Lichtblick in dem Grauen: die jährliche Tour mit meiner Bergfreundin Gudrun zu meinem Lieblingspass, dem Julier.
Der Wetterbericht lässt uns ziemlich im Stich, die Voraussagen verheißen nichts Gutes. Schnee in höheren Lagen, Regen, Wind und Temperaturen nahe 0°C sind nicht die beste Voraussetzung für fröhliche Wandertage. Wir lassen uns jedoch nicht einschüchtern und beschließen, dem Wetter mit guter Ausrüstung und winterbereiftem Auto zu trotzen.
Auf der Fahrt ins Bündnerland schüttet es wie aus Kübeln, aber wir glauben unerschütterlich an das Gute. Wie sangen einst die BAPnasen?
Es hätt noch immer joot jejange.
Unser erster Stopp ist Bivio. Hinauf zur Fuorcla de la Valetta solls gehen. Inzwischen ist es grau, weiß und zwischendrin blau. Auch die Sonne mogelt sich hin und wieder dazu. Man sieht die Hand vor Augen, die Vorderfrau und noch viel mehr – die Weitsicht lässt keine Wünsche offen und alles ist gut. Wunderschön präsentiert sich das Val Beiva im Wechselspiel des Lichts.
Bis zur Alp Valletta führt ein Natursträßchen, dann ein Bergpfad. Auf der anderen Bachseite stürzt tosend Wasser von den Felsen herunter.
Weiter oben stapfen wir durch einzelne Schneefelder, welche dann mit zunehmender Höhe in eine geschlossene, aber gutmütige und griffige Schneedecke übergehen. Die Wegfindung und auch das Tempo wird dadurch etwas beeinträchtigt, so schaffen wir es nur bis knapp unterhalb des Leg Columban und drehen dort um, schließlich wollen wir rechtzeitig unser Zimmer im Julier Hospiz beziehen und auch das Bäuchlein will noch gestopft werden.
Oben erwartet uns ein gemütliches Zimmer und freundliches Personal, die leckeren Bündner Capuns stopfen unsere Bäuche mehr als uns lieb ist.
Zum Himmelstor
Die nördliche Seite vom Julierpass scheint weitgehend schneefrei zu sein, so wandern wir nach ausgiebigen Frühstück bei trüber Aussicht rechts vom Julia-Fluss hinauf. Durch wilden Wettermix aus Schneegeflöckel, Nebel, Wolken und Sonne ziehen wir tapfer hoch zum Himmelstor.
Bisher kenne ich die Landschaft bei schönstem Sommerwetter und mit bevölkerten Kuhweiden, heute präsentiert sich alles kuhfrei und in einer mystischen, durchaus imposanten Lichtstimmung.
Außer uns treibt es heute doch tatsächlich noch ein paar andere Bergverrückte hier rauf. Wir treffen auf eine kleine, unbeirrbare Wandergruppe mit Hunden, sonst begegnen wir den ganzen Tag keiner Menschenseele.
Nach dem Himmelstor reißt die Wolkendecke immer wieder auf und gibt die Sicht auf die wunderbaren Albula Berge und die Fuorcla digl Leget frei.
Da lassen wir uns nicht lumpen, mit neuem Antrieb nehmen wir noch den kleinen Anstieg zur Fuorcla, wo ich mir einen schönen Blick zu dem kleinen See unterhalb erhoffe. Doch der See ist fast ausgetrocknet und präsentiert sich in unscheinbarem Braun.
Die Aussicht von hier oben ist aber auch ohne See phänomenal, der Aufstieg hat sich auf alle Fälle gelohnt!
Zum Leg Grevasalvas und zum Julierturm
Früh morgens ist uns vom Zimmer ein Augenblick auf Wunschwetter vergönnt, dann zieht sich der graue Wolkenvorhang zu. Unerschrocken ziehen wir wettertauglich verpackt los, heute gehts auf der anderen Seite, südlich des Passes hoch. Kalter Wind pfeift uns beim Aufstieg zum Leg Grevasalvas um die Ohren, doch es bleibt zum Glück trocken.
Und wieder präsentieren sich die Berge in einer unbeschreiblich zauberhaft mystischen Stimmung. Stille umfängt uns in dem traumhaft schönen Hochtal, wir wähnen uns schier in Mittelerde, Mordor lässt grüßen.
Nach dem See laufen wir durch das Hochtal Richtung Fuorcla Grevasalvas, drehen dann bald um, weil das Wetter sich zu verschlechtern droht.
Zurück am Pass treibt uns die Neugier noch zum roten Turm auf der Passhöhe. Oft fuhr ich schon daran vorbei, ohne zu wissen, was sich darin verbirgt. Dem wollen wir auf den Grund gehen.
Und wir staunen! Auf knapp 2.300 m Höhe wurde vom Theaterunternehmen Origen 2017 der Julierturm erbaut. Im Inneren ist eine Bühne mittig an Ketten hängend angebracht. Die Zuschauerlogen in den Fensterbögen können zusammen bis zu 220 Zuschauer aufnehmen. Der Turm wird ganzjährig bespielt, 2023 soll er wieder abgebaut und das Gelände renaturiert werden.
Der Turm ist verschlossen, wir können ihn leider nur von außen bewundern.
Der Nachmittag gehört dem Schwitzen. Weil wir die einzigen Gäste sind, dürfen wir die Sauna im Haus kostenfrei nutzen.
Bei einem wieder sehr schmackhaften Abendessen lassen wir danach den Tag ausklingen.
Mit einmaligen Eindrücken und Bildern im Gepäck beschließen wir am nächsten Morgen angesichts des drohenden Regens den Rückzug nach Hause.
Fazit: Wir haben das Beste draus gemacht!
2 Antworten auf „Neuentdeckung am Julierpass“
Liebe Hilde,
Das hast du wunderschön aufgeschrieben und soooo schöne Bilder angehängt.
Danke!