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Mehrtagestour

Chamanna Tschierva (2.583 m)

Wochenlange Plackerei liegt hinter mir.
Als das letzte Loch gebohrt, die letzte Lampe aufgehängt und der letzte Farbeimer geleert war, atme ich endlich den Duft von Freiheit. Die Berge rufen wieder!
Abends begleite ich den Schlagbohrer in den Keller und lass ihn dort beim restlichen Werkzeug zurück.
Meine Hände wollen nicht mehr zupacken, aber die Beine, die wollen wieder gehen, nicht nur die Treppe rauf und runter, sie wollen mich mitnehmen in die frische Luft der Berge, möglichst weit, möglichst hoch, dorthin wo das Eis nicht in der Bruthitze schmilzt und die kühle Abendluft ein Frösteln über den Körper jagt.
Am nächsten Morgen fahre ich voller Vorfreude Richtung Engadin. Am Bahnhof von Pontresina stelle ich mein Gefährt am Langzeitparkplatz ab und wandere anschliessend, begleitet vom Rauschen des Rosegbachs, durch den ursprünglichen Wald des Val Roseg. Bedingt durch die fortgeschrittene Zeit habe ich das zauberhafte Tal fast für mich alleine. Kurz vor dem Erreichen des Hotel Roseg weitet sich das Panorama und gibt den Blick auf die schneebedeckte Sellagruppe und den Sella- und Roseggletscher frei.
An der Alp Misaun vorbei, dann beginnt der Schlussanstieg über Geröll entlang der Gletschermoräne des Tschiervagletschers zur Tschierva Hütte.
Nach knapp 2 Stunden hängt die Chamanna Tschierva über mir am steilen Hang und es eröffnet sich ein atemberaubendes Panorama auf den Tschiervagletscher, Piz Roseg und den Piz Bernina, den einzigen Viertausender der Ostalpen mit dem berühmten Biancograt.
Auch wenn ich selbst mangels Können dort nicht hinaufkomme: Fels, Steine und Eis, das ist meine Welt!
Ein Bier und leckere Rösti mit Ei lassen die Aufstiegsmühen schnell vergessen. Mit einer Hanvoll anderer Bergfreunde geniesse ich lange und andächtig die stille Gletscherwelt. Hier will ich bleiben, auch über Nacht. Wir sind nur zu sechst und ich bekomme sogar ein ganzes Lager für mich. Wunderbar!
Am späten Nachmittag klettere ich noch zum Einstieg des Piz Bernina hoch. Der Biancograt hat sich schon ins rosarote Abendkleid gehüllt.
Was für ein Glück! Es ist kaum auszuhalten.
Am Morgen danach schmückt eine filigrane, silberne Mondsichel den blassrosa schimmernden Himmel über dem  erwachenden Bergpanorama.
Ich lasse mich davon gefangen nehmen, halte es noch lange aus in der wunderbar kalten Morgenluft und gehe dann still beglückt hinunter in den goldenen Morgen.
Eine Gämse meckert einen fröhlichen Morgengruß und von gegenüber winkt die schon besonnte Forcla Surlej.