Weihnachten fing für mich dieses Jahr schon im November an.
Normalerweise laufe ich um diese Zeit irgendwo durch meinen geliebten Himalaya und geniesse die Bergwelt und die Menschen in meiner zweiten Heimat.
Dieses Jahr war anderst. Was liegt hinter den Bergen? Gibt es ein Leben in der dunklen Jahreszeit jenseits der Abenteuer? Bewusst machte ich mich auf den Weg, den Weg zu den Menschen und den Dingen, die mir wichtig sind. In der Gewissheit, dass Berge zum Glück eine lange Halbwertszeit und viel Standvermögen haben. Die Zeit der Berge kommt wieder.
In Hamburg erlebte ich im November wunderbare Tage. Lernte Irene kennen, die mir Handarbeiten von Lata aus Nepal mitbrachte und mit ihrem herzlichen Wesen und Lachen einen vergnüglichen Abend im Brauhaus schenkte.
Bernd, mit dem ich grossartige Abenteuer erlebte, traf ich nach sechs Jahren das erste mal wieder. Es fühlte sich an, als hätten wir uns gestern erst verabschiedet. Seelenverwandtschaft ist ein Glücksfall und verschwindet nicht.
Ausflug mit der Quasselstrippe Michael. Der Mann, den ich vor 5 Jahren in Nepal kennenlernte, den ich erst mal nicht ausstehen konnte und mit dem mich heute eine tolle Freundschaft verbindet. Es gab so viel zu erzählen, wir hätten locker die ganze Ostsee umrunden können, ohne eine Sprechpause einzulegen.
Mit Petra läutete ich bei spätsommerlichem Wetter an der Elphi die Glühweinsaison ein. Petra ist aus dem selben Holz geschnitzt wie ich. Mit ihr könnte man Pferde stehlen und auf Dinosauriern reiten. Vor Jahren konnte ich dem Wachstum von Elphi gespannt zuschauen, nun stand sie in vollendeter Schönheit vor uns und ich durfte den ersten Geburtstag der Plaza mitfeiern.
Meine liebe Freundin Karin, die später dazu stiess, bestieg mit mir den Michel, wir stromerten durch das Hafenviertel und den alten Elbtunnel, bis sich am Ende der Kreis wieder im Brauhaus schloss.
Anstrengende Lerneinheiten mit meinem Afghanischen Schützling wechselten sich ab mit Glücksmomenten, wie sie vielleicht nur im Austausch zweier Menschen und Kulturen möglich sind, die auf den ersten Anblick unterschiedlicher nicht sein könnten. Wir kochten zusammen für Freunde und führten stundenlange, intensive Gespräche, Gespräche mit allen Sinnen, Gespräche mit Händen und Füssen, über Afghanistan und den Krieg, über Deutschland und den Frieden. Der Sinn des Lebens schimmerte manchmal zaghaft dazwischen hervor. Sternstunden in meinem Leben.
Mathilda, mein Enkelkind, mein Augenstern – eine Wucht! So viel Spass, so viel Freude, so viel kindliche Unbekümmertheit und Energie! Mein Gott, was hat sie mich verzaubert während unserer geneinsamen Spaziergänge, beim Basteln, Backen und den leisen Zwiegesprächen im Wartezimmer des Schlafs.
Dann rauschte unvermittelt Bernie bereichernd in mein Leben. Spontan reiste sie 500 km an, um mit mir auf einem Markt einen Nepalstand zu betreiben. Wir erlebten drei unvergessliche, entspannte Tage miteinander und bleiben Schwestern im Geiste.
Zwischen all den schönen Begegnungen und Erlebnissen mit neuen und alten Freunden hat sich manchmal eine blaugraue Schwere meiner bemächtigt, eine leise unerbittliche Traurigkeit und Momente des schieren Verweifelns. Trauer über den Verlust von Menschen, die sich aprupt aus ihrem und unserem Leben verabschiedeten. Trauer über Menschen, die langsam in der grossen Dunkelheit verloren gehen. Momente des Zweifels, an mir selbst und an der Welt. Momente, in denen ich manchmal schier verzweifelte, an der Menschheit, an der Politik und deren Vertreter mit ihrem Unvermögen, eine den Menschen dienende, friedliche Welt zu schaffen. Utopie? Vielleicht.
Ich werde nicht müde, mich für diese Utopie einzusetzen.
Was sind wir denn ohne die Momente der Trotzigkeit, in denen wir sagen: Ich bin nicht einverstanden, und ich werde niemals einverstanden sein!
Frohe Weihnachten!