Meine Spiegelreflexklotzkamera hatte bei dieser Tour ernsthafte Focusprobleme – die Berge verschwanden konturlos hinter einer grauen, feuchten Masse.
Ganz entgegen meiner Gewohnheiten brachen wir bei unordentlichen Wetterverhältnissen auf. Doch wir schafften es ohne einen Tropfen abzubekommen von Scuol nach San Jon, was keine besondere Kunst war, denn die ersten Höhenmeter versüssten wir mit einer Busfahrt. Von San Jon bis zur Lischanahütte war das nicht mehr so einfach. Steil ging es nach oben, die Regenjacken kamen zum Einsatz, meist prophylaktisch, aber immerhin traf es uns tröpfchenweise.
In der freundlichen Lischanahütte waren wir die einzigen Gäste.
Wir konnten aus der heimeligen Stube zuschauen, wie die Tröpfchen immer mehr wurden und es dann schliesslich goss wie aus Kübeln. Bei diesem Anblick schmeckten die Rösti doppelt köstlich. Als die anderen Wanderkollegen erschöpft und völlig durchnässt eintrafen, erfreuten wir uns schon am Schlummertrunk.
Der nächste Morgen zeigte sich grau, aber die Feuchtigkeit kamm zum Glück nicht nur von oben, sondern verteilte sich gleichmässig nach allen Seiten. Dieses Grau mischte sich mit den unsichtbar präsenten Berggipfeln zu einer Wattestille, die ab und zu durch das Donnern niedergehenden Gerölls durchbrochen wurde.
Ein paar jugendliche Steinböcke schlichen müde an uns vorbei. Ob sie wohl die Nacht durchgemacht hatten?
Später dann über die Fuorcla da Rims und auf dei Rimshöchflächen – die anstrengendsten Höhenmeter lagen hinter uns – eine unwirkliche Mondlandschaft. Zauberhafte, eiszeitliche Landschaften, welche der frühere Gletscher nach seinem Rückzug freigelegt hatte, weichgezeichnet im Nebel.
Erst später, im langen Abstieg nach Sur En, rissen die Wolken öfters auf und manchmal lugte schüchtern die Sonne hervor.
Ein besonderes Highlight erwartete uns erst gegen Ende der Tour: ein fast 1 km in den Fels gesprengter Weg – die Uina-Schlucht. Grandioser Wegabschnitt!
Danach zog sich der Weg. Sehr. Aber immerhin sonnig, mit leckerer Eisbelohnung in Sur En.
Dank Schweizer Perfektion und Pünktlichkeit klappte auch der Rückzug wieder reibungslos.