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Seealpen 2011

Die Landschaft der Seealpen ist geprägt durch idyllische Dörfer, mediterrane Mittelgebirge und die teilweise hochalpine Region des Nationalparks Mercantour. Dieses abgeschiedene, wildromantische Wanderparadies, nur 60km vom Mittelmeer entfernt, sollte dieses mal unser Ziel sein.

Anfang September 2011 zogen wir 3 Bergfreundinnen wieder mal los. Eine Woche Genusswandern in den Alpes-Maritimes erwartete uns.

von Konstanz nach Entracque

Die Jungfernfahrt meines kleinen Raumwunders auf Rädern begann bei trister Witterung. Auf dem Gottardo legten wir eine nasskalte, aussichtslose Pinkelpause ein, rechte Urlaubsjubelgefühle wollten sich dabei nicht einstellen, eher Erinnerungen an eine frühere, komplett verwässerte Alpenüberquerung.
Dann die Poebene, ebenfalls eintönig und grau, nicht grade zu Begeisterungsstürmen einladend.

Erst als wir in Entraque eintrafen, stellte sich so was wie aufgeregte Vorfreude ein. Trotz des einsetzenden Nieselregens machten wir uns gleich nach dem Bezug des Zimmers im „Miramonte“ auf den Weg, um das hübsche, verwinkelte Städtchen zu erkunden und Leib und Seele für den nächsten Tag zu stärken.
Im Ristorante „Vecchio Mulino“ wurden wir fündig. Spaghetti, rote Cherrytomaten, Olivenöl, grüne Basilikumblättchen und alter Parmesankäse darüber – nicht nur ein Augenschmaus, ein Fest für die Sinne. Die piemontesische Küche ist schlicht himmlisch. Ein klassisch guter Anfang, wir assen alles auf, da MUSSTE das Wetter besser werden.

Von Entraque 904 m, mit dem Rufbus nach Limonetto, 1294 m

Strahlend blauen Himmel erblickten unsere wachen Augen am nächsten Morgen, die Sonne zwinkerte ins Zimmer und die Vögel zwitscherten uns aus den Federn. Na also, geht doch. Wie es sich gehört für Mädels auf Reisen.
Milchkaffee und ein Panini im morgensonnengefluteten Cafegarten, dann einen Abstecher zur „Terme di Valdieri“ und dem dazugehörigen botanischen Garten. 1857 legte der König von Italien, Vittorio Emanuele II, den Grundstein für das imposante Gebäude. Wahrlich ein königlich bezaubernder Ort, voller Schönheit und Ruhe.

Doch in die Stille rief der Berg. Ein Sherpa-Rufbus für Wanderer sollte uns nachmittags von Entraque nach Limonetto am Fusse des Colle di Tenda befördern. Von dort wollten wir unsere Tour starten; das Auto durften wir bis zur Rückkehr von unserer 5-tägigen Wanderung freundlicherweise am Hotel Miramonte in Entraque stehenlassen.
Am vereinbarten Treffpunkt an der Dorfkirche fuhr ein Sherpa-BMW vor und eine elegante Lady fragte „nach Limonetto?“ Zu unserer Verwunderung. Hatten wir doch nach einem mit zünftigen Bergsteigern besetzten Kleinbus Ausschau gehalten. Rucksäcke in den Kofferraum und eine knappe Stunde später – für 30€, da kann man nicht meckern – erreichten wir unser ca. 30 km entferntes vorläufiges Ziel, das Hotel „Edelweiß“ in Limonetto auf 1.294m ü.M.
Wie der Name „Edelweiß“ vermuten ließ, wurde im Edelweiß auch deutsch gesprochen, so konnten wir uns nach schmackhaftem, piemontesischen Diner mit der Wirtin unmissverständlich auf einen morgendlichen Transfer zum Wegeinstieg einigen und hatten uns damit ein paar Kilometer Fußmarsch auf befahrener Straße erspart.

von Limonetto, 1294 m nach Casterino, 1543 m

Endlich war es so weit, wir schulterten unsere Rucksäcke uns stapften los. Nach einer Stunde Aufstieg durch mässig steiles Gelände stellten wir fest, daß die Beschreibung im Führer und unser Weg erhebliche Abweichungen aufwiesen. Intensives Kartenstudium und ein Richtungswechsel brachte uns dann rasch auf den rechten Weg. Von nun an ging’s bergauf, immer steiler wurde das Gelände. Der Pfad führte uns nördlich vom Tenda Pass zum Grenzkamm auf 2.254m, hinauf zum Fort Giaure, dem westlichsten von insgesamt 6 Höhenforts, die in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts zur Sicherung der Grenze erbaut wurden.
Südlich zu Füssen lag das Roya-Tal und westlich schweifte der Blick zum Mont Bego im französischen Mercantour-Nationalpark. Der Rundblick vom Fort Giaure war einmalig und entlohnte reichlich für die Mühen des Aufstiegs.

Traf man beim Fort noch auf ein paar Wandergruppen, wurde es im Abstieg auf der französischen Seite richtig einsam. Keiner Menschenseele begegneten wir auf dem langen Weg hinunter nach Casterino, nur die Pfiffe der Murmeltiere durchschnitten hin und wieder die Stille.
Der letzte Abschnitt verlief über alte Militärstrassen, nach 7stündigem Marsch wollten wir nur noch sitzentrinkenessenduschen. Gerade als wir uns einig waren, dass motorisierte Abstiegshilfen zur rechten Zeit durchaus Vorteile haben, knatterte es hinter uns, wir streckten unsere Daumen in den Wind, aber auf die kleine Enduro hätte nicht mal eine von uns gepasst. Neidisch blickten wir der Maschine hinterher und trauten unseren Augen nicht – ein Ravensburger Kennzeichen! Es blieb kaum Zeit, unserer Verwunderung Ausdruck zu verleihen, da hörten wir schon das nächste Motorengeräusch. Gleich 3 Jeeps hintereinander zuckelten den Berg hinunter, die deutschen Kennzeichen erstaunten uns kaum noch. Flugs waren die Rucksäcke auf der Ladefläche und wir in die Jeeps verteilt – fortes fortuna adiuvat ! Linksseitig der schmalen Straße taten sich Abgründe auf, mein Fahrer zog freundlicherweise eine Whiskypulle aus der Proviantkiste – ich nahm einen ordentlichen Schluck und schon wurde die Straße breiter.
Zu Fuß wären die letzten Kilometer eine Plackerei gewesen, mit den Jeeps ging es ruck zuck.
In Casterino, an der rustikalen Aubèrge de la Madelaine war die Fahrt für uns zu Ende, ein lauschiger Biergarten erwartete uns.

Beim Abschied von den freundlichen Fahrern gesellte sich dann nochmal unser Ravensburger Endurofahrer dazu und sorgte für ordentliche Verwirrung. Wie sich herausstellte, war er nicht nur der Schwager des Jeepkarawanenführers, als er den Helm abnahm, entpuppte er sich auch noch als ein Kollege aus der Firma…klein ist die Welt !

Die Auberge Marie Madeleine ist im Weiler Casterino neben einer Ansammlung von Unterkünften die älteste. Seit 1880 beherbergte sie Händler der hier durchführenden Salzroute, die mit dem Col Sabbion die hohen Zölle des Tenda-Passes umgehen konnten. Heute ist sie eine urig-gemütliche gîte d’étape und lädt Wanderer auf dem Weg vom und ins Vallée des Merveilles zum Verweilen ein.

Auf der Speisekarte stand unter Anderem „Noix-de-joue“, das Einzige, was wir nicht übersetzen konnten. Das Glück gehört den Mutigen – Bernhard und ich bestellten. Bernhard, der alleine mit dem Mountainbike unterwegs war und erst über die Pässe und dann zum Mittelmeer radeln wollte, gesellte sich zu uns, er war ein Glücksfall – wir hatten mit ihm einen vergnüglich-unterhaltsamen Abend. Der Pfälzer in ihm ließ sich nicht verheimlichen, dass er einer der 2 Kabarettisten von „Spitz und Stumpf“ ist, erfuhren wir erst am nächsten Morgen.

Das Unübersetzbare war übrigens eine gute Wahl, die Kalbsbäckchen vergingen förmlich auf der Zunge, einen kräftigen Roten dazu und hinterher Crème Brullée – zum Brüllen köstlich.

von Casterino, 1543 m zum Refuge de Fontanalba, 2018 m

Von Casterino, 1543 m, im französischen Roya-Tal, ging die nächste Etappe zum Refuge de Fontanalba, 2018 m. Durch lichten Wald führte uns ein mäßig anstrengender, überwiegend schattiger Aufstieg zum Refuge de Fontanalba, einer kleinen Hütte des Skiclubs Nizza. Es war erst Mittag, als wir eintrafen, Zeit genug für einen Ausflug zum Lac Vert und zu den Lacs Jumeaux auf 2222 m.
Einer der schönsten Plätze im Mercantour Nationalpark erwartete uns. Wie wir dann in wärmender Sonne am See fläzten, mit den Gämsen und Murmeltieren, war die Welt noch schwer in Ordnung.
Das sollte sich nach unserer Rückkehr zum Refuge vorrübergehend ein klein wenig ändern.
Die Hütte war inzwischen gut gefüllt, was bei den offiziell angebotenen 28 Lagerplätzen vermutlich Dauerzustand ist. Wie gut, dass wir angemeldet waren. Ach ja, die Buchung. Während die meisten anderen Hütten zeitgemäß an ein online-Buchungssystem angebunden sind, musste ich hier zum guten, alten Telefon greifen und dann den ausgesuchten Termin mit Briefpost und beigelegtem Verrechnungsscheck bestätigen. Liebenswürdig anachronistisch, aber es hat funktioniert. Nach wenigen Wochen lag ein richtiger Brief aus Papier mit der Bestätigung im Briefkasten.

Die Hütte bestand im Grunde nur aus zwei Räumen, der Küche und dem Schlafraum, in dem dann auch gespeist wurde.
Wir lernten, dass die Lagerplatzverteilung pünktlich um 17Uhr stattfindet und das Abendessen für alle um 18Uhr serviert wird. Die Hüttenwirtin hatte unseren Wunsch nach einem Platz in der unteren Bettetage berücksichtigt, wir konnten unsere Schlafsäcke auslegen.
Inzwischen war die Sonne hinter die Berge gesunken und mit ihr die Temperaturen. Wir verabschiedeten uns von der wunderschönen Aussicht auf die umliegende Bergwelt, welche in einem Rausch von rosalilablassblaukitschigem Abendhimmel versank, Kälte kroch ungemütlich unter die Funktionskleidung, wir drängelten uns mit den anderen in die warme Hütte. Eine lange Tafel war schon gedeckt, das Essen dampfte lecker herüber und Hunger meldete sich. Mit uns tafelten unter anderem ein italienischer Vater mit seinen gefühlten 50 Kindern, Freunden der Kinder und Klassenkameraden der Freunde der Kinder – ach was weiss ich. Jedenfalls war von gefräßiger Stille nichts zu hören. Was sich bei Tisch noch lustig anließ, wurde nachts zur Qual. Leider war ich durch meine Ohrstöpselallergie eindeutig im Nachteil. Die munter, in den unterschiedlichsten Tonlagen plappernde Jugendmeute verdrückte sich äußerst gemächlich in ihre Kojen und ließ ihrem Sprechdurchfall lautsark und stundenlang ihren Lauf. Da half kein schschscht und kein silence, einer Schweigesekunde folgte bei Fuß lautstarkes Giggeln und Gackern. Meine Hutschnur platzte dann nach etlichen erfolglosen Entspannungsübungen, weit nach 23 Uhr und langem Überlegen, in welcher Sprache mein Veto am besten Wirkung zeigen würde. Mit Stirnlampe bewaffnet stieg ich dann ins obere Bettenstockwerk, die muttersprachliche Ansage war kurz, prägnant und laut und endete mit einem global verständlichen Kraftausdruck.
In der Sekunde herrschte Grabesstille, die zu meiner Überraschung die restliche Nacht andauerte.

von Fontanalba, 2018 m zum Refuge des Merveilles, 2111 m

Ein Sonnenaufgang in den Bergen verzaubert immer wieder. Wenn der Tag noch unverbraucht und die Luft frisch nach Morgentau riecht, die Berggipfel schon glühen, während das Tal noch im Halbdunkel liegt, dann hält mich keine noch so kuschelige Schlafsackwärme, dann zieht’s mich raus.
Eine Katzenwäsche hinter der Hütte, mit kaltem Wasser, trieb mir den Schlaf aus den Knochen, ich steckte die Kamera ein und stieg hinter der Hütte ein paar Meter aufwärts durch den Wald. Dort war auch der Packesel einer Wandergruppe geparkt. Meinen freundlichen Morgengruß quittierte er mit verständnislosem Blick und müdem „iaaah“.
An einem Platz mit schönem Ausblick machte ich meine Kamera schussbereit. Es knackte vor mir im Gebüsch, aber die Hoffnung auf einen Steinbock in Großformat wurde enttäuscht. Stattdessen präsentierte sich mir ein paar Meter weiter nichts Geringeres als der Allerwerteste unseres italienischen Lagernachbarn bei der Verrichtung seines morgendlichen großen Geschäfts. Obwohl ich nicht lautstark herauslachte, sondern leise in mich hineinkicherte, er muss es gehört haben und sprang mit halbhochgezogener Hose davon.

Wieder an der Hütte, krochen die Anderen nach und nach aus ihren Schlafsäcken und es herrschte bald munteres Rucksackpacken.
Wir frühstückten und machten uns auf die nächste Etappe, Richtung Refuge de Merveilles. Die gewählte Route folgte dem leichteren Weg, um den Mont Bego herum, zur Baisse de Vallauretta, 2279m.
Der Weg führte stetig bergauf, meist durch mal schattigen, mal lichtdurchfluteten Wald, mündete dann kurz vor Erreichen des Ziels in eine Fahrstraße, die von der anderen Talseite heraufführt. Viele Tagesausflügler haben über sie die Möglichkeit, die Felsritzungen aus der Bronzezeit im Tal der Wunder mit einer Führung zu erkunden, dementsprechend bevölkert präsentierte sich dieser wildschöne Erdflecken.

Das Refuge liegt direkt am Südufer des Lac Long, wir nutzten den Nachmittag für ein Sonnenbad mit Lesestoff am See. Abends fügten wir uns einer ziemlich chaotischen Bettenvergabe, irgendwann waren auch wir an der Reihe. In einem völlig überfüllten Lager ergatterten wir ein Doppelstockbett ohne Leiter und eine Notmatratze auf dem Boden. Immerhin. Am Ende wurden dann noch Decken und Zelte ausgegeben…
Die Hütte war hoffnungslos überbelegt, offiziell passen 79 Wandersleute rein, wie uns die Hüttenwirtin beteuerte, waren es an diesem Tag 92. Gut, dass wir gebucht hatten.
Endlich ertönte die Essensglocke, es gab Einheitsdiner, an langen Tafeln, mit Namenschildchen darauf. Alle waren hungrig, nach wildem Gesuche fand schließlich jeder sein Plätzchen. Es gab Suppe, Reis, Fleisch, Käse, Nachtisch, das gleiche wie im Fontanalba. Was solls. Es schmeckte, die Stimmung war gut, die Franzosen angenehme, kultivierte Tischgenossen. Dem tat zum Glück auch der reichlich konsumierte Rotwein keinen Abbruch. Unsre französischen Mitwanderer erwiesen sich auch als kultivierte Lagergenossen, so konnte man wenigstens mal an Schlaf denken.
Beim 70000sten Schäfchen war allerdings Schluss. Ich hörte auf zu denken und zählen, packte meine Kamera und stürmte nach gewagtem Sprung von der oberen Bettetage aus dem stickigen Schnarchverließ in die morgenkalte Bergluft. Auch dort war ich nicht allein, aber es gab wenigstens genügend Luft für alle.

Frühstücken durften wir zu unserer Freude dann wieder draußen, am noch schattigen See, zu Füssen des sonnenbeschienenen Mont Bego.

von Merveilles 2111 m zum Refuge de Valmasque 2221 m

Um viertel vor 9 marschierten wir los, unserem nächsten Ziel, dem Refuge de Valmasque entgegen. Erst zum Lac de Merveilles hinauf, dann erreichten wir auf immer steiler werdendem Weg die Baisse de Valmasque, auf 2549m. Genauso steil ging es wieder hinunter zum tintenblauen Lac du Basto auf 2341m, dann an den ebenso schönblauen Seen Lac Noir und Lac Vert vorbei. Über dem Ostufer des Lac Vert thronte verwegen unsere Herberge, die Alpenvereinshütte Refuge de Valmasque. Was für ein Anblick! Da stand sie, trutzig, exponiert, auf einem Felsen, eingebettet in eine majestätische Bergkulisse.

Erst waren wir sprachlos, dann wurden wir hungrig. Junge, sympathische Wirtsleute offerierten uns eine Speisekarte, wir bestellten Omelette und Salat. Ja, es gibt auch ein schmackhaftes Leben jenseits von Suppereisfleischkäsenachtisch.
Nach dem Essen zog’s uns an den See. Unsere Sabine kennt keinen Schmerz und stürzte sich in die kalten Fluten, Claudia und ich schauten zu, genossen den Anblick und die warme Luft.

Abends auf der Terrasse mit einem Vin Rouge. Es kamen noch 2 Wanderer, ein Mann und eine Frau. der Mann trug 2 Rucksäcke. Wir verstanden zu wenig Französisch und rätselten. Aufgeregt unterhielten sich alle und schauten, zeigten immer wieder zum Berg. Schließlich zog ein junger Mann, mit Stirnlampe bewaffnet, los. Offensichtlich gab es einen Unfall. Wir beobachteten die Szenerie mit dem Fernglas, verloren aber die immer kleiner werdende Gestalt irgendwann an die Bergschatten. Kurz vor Einbruch der Nacht tauchte der junge Mann wieder auf, dann noch jemand. Als sie näherkamen, sahen wir die Last auf dem Rücken des Jungen. Eine Frau, sie hatte sich am Fuß verletzt, konnte nicht mehr gehen, schien aber trotz allem guter Dinge zu sein.

An diesem Abend konnten wir uns die Betten aussuchen, außer dem verunglückten Paar waren nur noch 2 Bergsteiger im Lager. Nach Einbruch der Dunkelheit krochen wir in die Schlafsäcke und genossen den relativ großen Bewegungsradius.
In Erwartung eines grandiosen Bergglühens waren am nächsten Morgen ALLE früh auf den Beinen. Und unsere Erwartungen wurden mehr als erfüllt. Die ersten Sonnenstrahlen befeuerten erst die Gipfel, dann kroch das Knallorange langsam die Berghänge hinunter, bis sich die Glut schließlich über den ganzen See ergoss. Mit der Kamera und mit „oooh“ und „aaah“ um die Hütte herum laufend, knipsten wir, was das Zeug hielt. Nachdem das Feuer dem normalen Morgenlicht gewichen war, bereitet uns das Frühstücksbuffet auf die letzte und längste Etappe unsrer Tour vor.

von Valmasque, 2221 m nach Trinità, 1091 m

Jenseits der Staumauer stiegen wir erst mal an Wasserfällen vorbei ins Vallée de Valmasque ab. Noch war die Luft angenehm kühl. An einer Weggabelung schlugen wir links Richtung Lac l’Agnel ein, so wie der Führer es vorschrieb. Der Pfad wurde jetzt immer steiler. Wir kamen ordentlich ins Schwitzen, gewannen aber auch schnell an Höhe auf dem steilen, sonnigen Hang. Keine von uns hatte die Abzweigung zum Col Sabion gesehen, also wähnten wir uns auf dem rechten Weg. Allmählich wies der Weg zur Beschreibung erhebliche Abweichungen auf und wir kamen ins Grübeln. Absteigen, auf die Gefahr hin, dass wir doch richtig waren? Fehlende Wegweiser und die Abwesenheit von anderen Wanderern, die wir hätten fragen können, erleichterten die Entscheidung nicht. Immerhin waren wir schon eine knappe Stunde und geschätzte 700hm unterwegs und hatten noch eine elend lange Tagesetappe vor uns. Nach intensivem Kartenstudium waren wir uns fast sicher, das konnte nicht unser Weg sein. Jammern hilft nicht, wir drehten um. Ein junger Franzose, der uns entgegenkam, bestätigte den Verdacht: wir waren fast bis zum Lac l’Agnel gelaufen…
Jetzt hiess es aufpassen und die unsichtbare Weggabelung zum Col Sabion nicht nochmal verpassen. Wir sahen ihn dann alle 3 gleichzeitig, den Steinmann. So unscheinbar, dass er vermutlich nur von 6 Augen gesehen werden konnte, passte er sich wunderbar farblich in die Landschaft ein. Erst nach genauerem Hinsehen erkannten wir dann den wenig ausgetretenen Wiesenpfad, der ins Vallon du Sabion steigt.
Nach einem kräftezehrenden Anstieg erreichten wir ein weites Grasplateau mit See, von wo uns dann ein geräumiger Militärweg zu Col Sabion West auf 2328m führte. Hier trafen wir dann zum ersten mal wieder andere Wanderer, welche dort oben Rast machten. Kurz darauf überschritten wir die Grenze zu Italien und genossen den atemberaubenden Tiefblick zum wild-idyllisch gelegenen Lago della Vacca .

Von nun an gings bergab, erst zum See, dann weiter auf einem alten Eselspfad durch das einsame, nicht enden wollende Sabbione Tal. Einzig ein paar weisse Kühe, eine Schafherde, ein Päärchen mit Mountainbikes und später ein Schäfer begegneten uns auf dem langen Weg nach Trinita.
Schweigsam und völlig erschöpft, aber glücklich, erreichten wir dann endlich kurz vor Einbruch der Nacht, nach 11stündigem Fußmarsch das Locanda del Sorriso in Trinita, welches sich als absoluter Glücksgriff entpuppte. Nach dem ersten Bier kroch die Müdigkeit in alle Knochen, wir wollten nur noch die Beine ausstrecken und schlafen.
Das schöne, saubere Zimmer und eine warme Dusche entschädigten für die vergangenen Strapazen, doch an Schlaf war erst mal nicht zu denken. Unsere Beine schmerzten dermaßen, dass wir alle 3 mitten in der Nacht eine Schmier- und Salborgie mit Voltaren feierten. Danach war es einigermaßen erträglich und wir bekamen wenigstens ein paar Stunden Schlaf

von Trinita, 1091 m, nach Entracque, 904 m und dann Heimfahrt

Alles hat ein Ende – eine wunderbare, erlebnisreiche Wanderwoche durch wilde, ursprüngliche Berglandschaften unter südlicher Sonne ließen wir mit einem ausgiebigen Frühstück ausklingen. Die letzte Etappe nach Entraque konnten wir uns nach dem vorangegangenen Gewaltmarsch getrost sparen. Wir erkundigten uns nach dem Pendelsevice, das einzige Taxi war aber leider schon vergeben. Eine deutsche Wandergruppe, welche damit über Entraque zum Flughafen nach Cuneo gebracht werden sollte, hatte aber zum Glück noch einen Platz frei. Sie nahmen mich mit nach Entraque, dort schnappte ich mein Auto und eine halbe Stunde später sammelte ich meine Wanderfreundinnen in Trinita ein – die Heimfahrt konnte beginnen.
Hinter Turin verschlechterte sich dann zusehends das Wetter, das konnte uns jetzt egal sein. Auch der Mega-Stau vor dem Gotthardtunnel störte uns nicht sonderlich. Erst als dann der Sprit zur Neige ging, weit und breit aber keine Tankstelle zu sehen war, wurden wir etwas nervös. Buchstäblich in letzter Sekunde vor dem Stillstand, der Bordcomputer zeigte 0km bis zu nächsten Tankstopp,, wurden wir fündig. Puh!
Der Hagelsturm am Vierwaldstätter See konnte uns schließlich nicht mehr richtig erschüttern, ohne erkennbare Blessuren kamen wir zu später Stunde müde aber glücklich zu Hause an.